Tim Burton und „Alice im Wunderland“ – die Kombination klingt schon auf Papier so stimmig, dass man sich fragt, warum der Regisseur sich an der Geschichte von Lewis Carroll nicht schon viel eher ausgelassen hat. Der Roman aus dem Jahr 1865 wurde das sage und schreibe 25. Mal verfilmt – allerdings nun erstmalig in 3D. Und wenn dann einmal mehr Johnny Depp und Helena Bonham Carter als Schauspieler hinzu zitiert werden und Danny Elfman die Musik komponiert, kann eigentlich kaum noch etwas schief gehen, oder?
Alice ist diesmal kein Kind, sondern 19 Jahre alt, sie flüchtet nicht vor einem langweiligen Picknick, sondern vor einem Heiratsantrag, und das „Wunderland“ funktioniert Burton stilecht zum „Unterland“ um. Dementsprechend gedrückt ist die Stimmung seiner Bewohner, schließlich leiden die bekannten Charaktere unter der Herrschaft der Roten Königin (eine Helena Bonham Carter mit riesigem Kopf). Alice, die als Kind schon einmal Gast im Unterland war, sich aber nicht daran erinnern kann, soll nun laut Prophezeiung am Blumertag gegen den Jabberwocky kämpfen – mit dem Schwert der Weißen Königin, das sich blöderweise in Gewahrsam ihrer Schwester und Erzfeindin befindet. Da Alice der Meinung ist, die Voraussage betreffe eine andere Alice und das alles sei sowieso nur ein Traum, lässt sie sich treiben und begegnet unter anderem dem Hutmacher (ein verschrobener Johnny Depp, der nicht nur optisch zu sehr an einen Willy Wonka erinnert), mit dem sie sich auf den Weg zum Schloss der Weißen Königin macht. Doch es kommt alles anders als prophezeit: Der Hutmacher wird von der Armee der Roten Königin gefangen genommen und Alice macht sich auf den Weg zum roten Schloss, wo sie auf eine Herrscherin trifft, die ganz verzückt vom großen Kopf der momentan überdimensionierten Alice ist. Nun muss nur noch das Schwert gefunden und die Prophezeiung angenommen werden, damit sich im Unterland alles zum Guten wendet…
Burtons Ziel war es, dem Klassiker einen roten Faden zu verleihen; weg von der Aneinanderreihung wunderlicher Ereignisse mit seltsamen Geschöpfen, hin zu einer fesselnden Geschichte. Das ist eine schwierige Aufgabe in einer Geschichte, die nun einmal nicht nur durch groteske Gegensätze, sondern vor allem durch die Vielfältigkeit ihrer Figuren zu leben beginnt. Und so gelingt die Einhaltung des Ziels auch nur teilweise: Die Handlung plätschert bei Weitem nicht am Zuschauer vorbei, doch der Spannungsbogen ist weniger stark ausgeprägt als man es von bisherigen Burton-Filmen gewohnt ist. Liegt es daran, dass die Skurrilität des Unterlands schon von sich aus auf einem hohen Niveau ist oder etwa am fehlenden Tiefgang der Charaktere? Empathie jedenfalls ist trotz eines brillierenden – aber irgendwie ausgelutschten – Johnny Depps Mangelware und wo schon der Endkampf mit Alice in einer affektierten Amazonenrüstung säuerlich aufstoßen lässt, schießt die finale Betonung emanzipatorischer Bestrebungen klar über ihr Ziel hinaus.
Doch: Wenn auch nicht sonderlich mitreißend umgesetzt, hat Tim Burton das Potential hinter dem Wunderland dennoch für seine Zwecke genutzt. Zwar nicht so düster wie man es aus manchen seiner anderen Filmen gewohnt ist, hat er eine detailreiche Welt voller großer und kleiner Wunder erschaffen, in der reale Schauspieler und digitale Computeranimationen nahtlos verschmelzen, und die den Zuschauer nicht nur einmal staunend hinter sich lässt.