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Patrick Süskind: Der Kontrabass

Die Quintessenz der Zeitgenossenschaft

Cover des Buches "Der Kontrabass"

Zum Thema

In Patrick Süskinds Welt dominiert kein distanziert-abstraktes Parabeldenken eines Bertolt Brecht und kein Postavantgardismus eines Arno Schmidt. Nein, bedeutsam ist hier ausschließlich die Gesellschaft selbst, mit all ihren Facetten und finsteren Winkelzügen. Süskind schafft eine Unterhaltungsliteratur, die keinen Pfifferling auf den allzu populistischen Romanmainstream gibt (ich nenne bewusst keine Namen, um gewissen Autoren hier kein Forum zu gewähren) und dabei den unbelesenen Durchschnittsmenschen, ebenso wie einen Marcel Reich-Ranicki, in höchstem Maße zufriedenstellt.

Sein bekanntestes Werk ist sicherlich "Das Parfum"; ein Stück Literaturgeschichte der Neuzeit, das auch im Angesicht seiner porträtierten Abscheulichkeiten und beißenden Sozialkritik höchste Verkaufszahlen erreichte und noch immer erreicht. Da kommt naturgemäß die Frage auf: Wie schafft der Autor es, die Leser in seinen Bann zu ziehen und gleichzeitig präzise Rückschlüsse auf das allzu flüchtige Reich der Gerüche zuzulassen?

Die Antwort ist simpel: allein durch Sprache.

Sprache begrenzt den persönlichen Horizont und die Limitationen der eigenen Sprache sind die Limitationen der eigenen Welt. In Süskinds Roman ist sie auf syntaktisch raffinierteste Weise ausgestaltet, manipulativ und gerissen, niemals aber träge und aufdringlich. Der Stil ist schwer greifbar, da der Autor die verschiedensten Elemente aufgreift und ein Faible für eine Vielzahl von Ausdrucksweisen offenbart. Allein durch Sprache kreiert er eine der "genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche"; ein Monster, dessen Monstrosität im Angesicht seiner stumpfen und heuchlerisch-abartigen Mitmenschen verschwindend winzig erscheint. Gespannt darf man unter diesem Blickpunkt auch auf die Verfilmung unter der Regie des unglaublichen Tom Tykwer sein.

Nun ist Süskinds Sprache aber völlig anderen Gegebenheiten ausgeliefert, wenn er sich vom epischen Romanwerk entfernt und sich in ein einaktiges, abendfüllendes Drama zwängt. Im Prinzip erzählt der namenlose, 35-jährige Protagonist in "Der Kontrabass" auf knapp 96 Seiten - auf der Bühne etwa zwei Stunden lang - im Monolog etwas über den Kontrabass und die Entwicklung der Musik als solche. Mehr nicht. Ohne Personen- oder Lokalitätswechsel und ohne Brüche im Erzählfluss, dafür aber mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht, denn Süskind ist es hier gelungen, ein Fragment gesellschaftlich-musischen Selbstverständnisses in Text zu bannen. Unser wunderbar frustrierter und dennoch spießiger, penibel zurückhaltender Antiheld (übrigens Beamter - war ja zu erwarten) preist zunächst den Kontrabass als "das mit Abstand wichtigste Orchesterinstrument schlechthin" an, nur um sich dann nach und nach immer weiter von seinem Paradigma zu entfernen. Schlussendlich wird der Kontrabass zum unhandlichen Plagegeist, zum Sperrgegenstand und Verhinderer sexuellen Glückes. Er wird zum hässlich anzusehenden und klingenden Unding, welches - immer noch seine proklamierte Bedeutsamkeit im Orchester vor Augen - das Musizieren an sich nicht gerade in einem guten Licht erscheinen lässt.

Der Erzähler wird immer mehr mit seinen Verlustängsten und Wertevorstellungen konfrontiert; zudem wird mit seiner unerwiderten Liebe zur 24-jährigen Sopranistin Sarah - quasi sein ultimatives Gegenstück, orchestral wie gesellschaftlich - ein zusätzlicher, dynamischer Faktor ins Spiel gebracht. Wie auch im "Parfum" wird wieder gegen die "stinkend dummen Menschen" gewettert, nur dieses Mal in einer wesentlich subtileren Form: Das Orchester fungiert als Spiegelbild gesellschaftlicher Ungerechtigkeit und Unterdrückung, wo sich Dekadenz und Arroganz mehr als nur einmal zur Paarung gesellen.

Auch dieses Werk meistert der Autor mit Bravour, passt er seinen Ausdruck doch gekonnt den veränderten Begleitumständen an. Die Musikalität in Süskinds Sprache und seine unvorstellbar treffende Sozialgenauigkeit implizieren, dass er entweder selbst Kontrabassist gewesen sein muss oder ein Empathievermögen an den Tag legt, welches ihm selbst seine kühnsten Bewunderer nicht zu attestieren wagen.
Dieser Mensch bringt Bassistengedanken, -ängste und -thesen genauer auf den Punkt, als je jemand in einem primär oder sekundärliterarischen Text zuvor - "aber das am Rande." "Der Kontrabass" ist seit Jahren und völlig zu Recht das meistaufgeführte Theaterstück auf deutschen Bühnen, ein Pflichtwerk für jeden Bassisten, Musiker oder Musikinteressierten, übersetzt in über 20 verschiedene Sprachen.

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