Im Frühjahr 2017, also noch vor gar nicht allzu langer Zeit, fiel mir das literarische Debüt „Die Gameshow“ von Mike Chick in die Hände. Der Autorenname klang erst mal ein bisschen wie aus einem schlechten Porno geklaut und auch das Cover hatte eher was Amateurhaftes, die dystopische Erzählung à la „Running Man“ konnte aber schnell in ihren Bann ziehen und war in einem Rutsch durchgelesen. „Lust auf mehr“ machte das Debüt, und endlich: Es gibt mehr! Und zwar diesmal unter der Ägide des allseits bekannten und erfreulich breit aufgestellten Piper Verlages, entsprechend mutet natürlich auch das Cover des neuen Romans „Der Käfig: Entkommen ist tödlich“ deutlich professioneller an.
Tatsächlich hat Mike Chick alias Toni Robinia, Schreihals bei Distressed To Marrow sowie Maler und derzeit auch Kunstlehrer, wohl das einzig Richtige getan: In den Wirren der (noch andauernden) Pandemiezeit, in der weder Maleraufträge hereinkamen noch Bands auftreten durften und auch die Schulen lange Zeit geschlossen waren bzw. man sich zu weiten Teilen auf Home Schooling verlegen musste, hat der Süddeutsche sich kurzerhand die Autorenhandschuhe übergestreift und sich an ein neues Werk gemacht.
Allein beim Titel „Der Käfig“ fallen einem natürlich Assoziationen ein, die auf den ersten Blick klar machen, dass hier kein Liebesroman vorliegen wird – und gottlob auch keine Neuauflage von „50 Shades Of Grey“, nur falls hier Zweifel aufkommen; entsprechend gestaltet ist das Setting: Der Protagonist erwacht in einem Käfig, wirkt benebelt, findet sich nicht zurecht. Erst nach und nach kann der arme Mann seine Erinnerungsfetzen wieder zu einer in sich schlüssigen Geschichte zusammen setzen, in der ein psychopathischer Killer namens Eddie Gal eine tragende Rolle spielt, der nicht einfach nur eine tragische Kindheit hatte und daher eine ebenso tragische Figur abgibt, sondern gleich Raum für mehrere Persönlichkeiten bietet und auf den Hühner eine ganz besondere Anziehung zu haben scheinen...
Romane mit ähnlicher Thematik gibt es natürlich bereits zuhauf, der Autor hat hier aber aus einigen bereits bekannten Zutaten – Gefangenschaft, blutigen Szenen und einer psychischen Erkrankung, die nebenbei bemerkt als der heilige Gral der Psychiatrie gilt, deren Existenz nicht bewiesen ist, die aber eben deshalb umso mehr zum Gruselfaktor des Romans beiträgt – einen clever durchdachten Psychothriller gewebt, der einige schöne Twists enthält. Immer wieder ertappt man sich dabei, wie man Vermutungen über den weiteren Verlauf der Story anstellt, nur um dann erneut hinters Licht geführt zu werden. Eine Prise „Psycho“ und die Affinität des Autors für gute Horrorliteratur und Porngrind tun ihr Übriges, um „Der Käfig“ zu einem Buch zu machen, das zwar schnell zu lesen ist, aber keineswegs seicht daherkommt.
Wie schon in „Die Gameshow“ hält auch hier der Gedanke an seine Familie den Protagonisten am Leben und wird immer wieder genutzt, um sich zu motivieren, auch aus hochdramatischen Situationen zu fliehen. Zusätzlich hat Chick sein schriftstellerisches Repertoire, das im Debütroman naturgemäß noch auf das Wesentliche beschränkt war und darauf gewartet hatte, entdeckt zu werden, deutlich erweitert – besonders hervorheben muss man die teils wahnwitzigen Metaphern, die immer wieder für Auflockerung sorgen und einen trockenen Humor aufblitzen lassen, der sich durch die gesamte Story zieht und in erster Linie nicht nur Spaß macht, sondern auch davor bewahrt, in Klischees abzudriften.
Der nächste Roman unter Piper‘schen Flügeln ist schon in der Mache, ich kann‘s kaum erwarten. Die Hoffnung bleibt, dass Chick sich weiter auf den Pfaden der (Psycho-)Thriller austoben wird, denn das ist genau das, wofür der Badener geschaffen zu sein scheint. Wer sein Lesevergnügen gerne etwas abseits des Mainstream sucht, dem wird hier sicherlich geholfen.