Sonntagmittag in einen Gelsenkirchener Vorort fahren – kann man ja mal machen. Ziel ist heute nicht nur der Proberaum von Iron Kobra, sondern auch das Aufnahmestudio, denn die Heavy Maniacs, die sich schon lange von ihrem Rumpel-Image verabschiedet haben, ohne aber ihre Wurzeln zu verleugnen, sind im Finale zweier neuer Songs, die schon bald als Vinyl-7“ vorliegen sollen. Und schon jetzt darf man als Überraschung durchblicken lassen: Beide Tracks sind mit deutschen Texten ausgestattet und somit quasi eine spannende Weiterführung des „Wut im Bauch“-Vorreiters vom zweiten und noch aktuellen Studioalbum „Might & Magic“, auch wenn hier kein lyrischer Zusammenhang auftaucht. Beim Eintreffen sitzen Gitarrist Lightning Lord Python, Sänger und Klampfer Sir Serpent und „Neudrummer“ – mittlerweile auch schon ein gutes Jahr mit an Bord – Cimmerian Conda recht entspannt vor dem Aufnahmepult und hören sich die fast schon finalisierten Aufnahmen an, ein paar Gesangspassagen müssen noch eingesungen und auch ein paar Backingshouts sollen noch erledigt werden – da wird man schlichtweg kurzerhand als rasender The-Pit.de-Abgesandter mitverpflichtet.
Sir Serpent: Wir sind jetzt das erste Mal mit neuem Schlagzeuger im Studio, was für uns auch ganz spannend ist. Wir freuen uns jetzt darauf, wieder ein bisschen aktiver zu sein. Unser Proberaum wurde umgebaut, dann auch der Besetzungswechsel, was alles ein bisschen gedauert hat; wir sind aber aktiv ins Songwriting eingestiegen und haben uns jetzt auch dazu entscheiden, zwei Songs aufzunehmen und diese auch zu veröffentlichen.
Klar, wenn man schon im Studio dabei sein darf und so bereits die beiden Nummern, die wie erwähnt als Deutsch-Metal-Tracks durchgehen, anhören darf, dann ist da vielleicht auch ein bisschen Aufklärung notwendig, weil sich der geneigte Fan ja noch sehr schwer mit derartigen Lyrics tut. Aber auch da haben sie trotz aller „Wut im Bauch“-Erfolgsgeschichten was zu sagen:
Lightning Lord Python: Das spielt natürlich auch ein bisschen eine Rolle, „Wut im Bauch“ ist ja von den Fans richtig gut angenommen worden. Grundsätzlich aber sind wir ja schon immer Fans von urigem deutschem Heavy Metal gewesen, dazu gehört auch der Ostmetal, weswegen das für uns eher auch eine Art Tribut für diese Sparte von Musik ist.
Sir Serpent: Wir haben in letzter Zeit auch ein paar obskure Bands entdeckt, die auch auf Deutsch singen, was uns dann noch zusätzlich überzeugt hat, so etwas auch herauszubringen. Wenn man sich mal unsere alten Facebook-Posts vornimmt, sieht man ja auch, dass wir die 7“ eigentlich schon vor zwei oder drei Jahren realisieren wollten. Es ist natürlich wesentlich schwieriger in Deutsch als in Englisch zu singen, weil es in Englisch eben alles wesentlich bündiger, einfacher und weicher klingt. Das harte Deutsch ist schon schwieriger unter einem Hut zu kriegen, da versucht man sich dem Rhythmus anzupassen und verschluckt dadurch auch ganz schnell ein paar Silben.
Lightning Lord Python: Bei deutschen Texten nimmt man auch viel stärker die literarische Qualität wahr.
Wenn man das mal nicht von den Leuten, die sich nicht als Iron Kobra-Fan outen, um die Ohren gehauen bekommt... da passt es auch ganz gut, dass wir alle lachend zusammen sitzen und die Atmosphäre halt davon geprägt ist, dass man eben nicht immer alles zu ernst nehmen und auf die Goldwaage legen sollte. Die Kobras selber vertraten ja zu „Heavy Metal Generation“-Zeiten durchaus die Auffassung, dass stumpf gleich Trumpf sei. „Die lyrische Qualität steht außer Frage“, so dann Lightning Lord Python schmunzelnd mit dem gewissen Schulterzucken der Ironie. Klar, da kommt man natürlich unweigerlich auch darauf zurück, worum sich denn nun diese schon jetzt sagenumwobenen Texte drehen.
Sir Serpent: Wir waren ja schon immer große Sword & Sorcery-Fans, das hat man schon immer an den Coverartworks erkennen können. Wir hatten auch schon immer darüber nachgedacht, dass es doch witzig wäre, einen „Dungeons & Dragons“-Song zu machen, allein schon wegen der ganzen satanischen Botschaften, die dem Spiel zu Anfang in den USA zugeschrieben wurden. Auf Deutsch heißt das dann „Kerker & Drachen“, das fanden wir cool und haben es eben lyrisch umgesetzt. Bei „Schall und Rauch“ haben wir etwas thematisiert, was uns eigentlich schon immer beschäftigt hat. Das Musikbusiness ist ziemlich kacke und dass man sich immer dann, wenn man sich ein bisschen professioneller aufstellen und die Band voranbringen will, immer auch verkaufen muss und wie sehr wir das eigentlich hassen.
Lightning Lord Python: Der Text ist autobiografisch, es ist ein „wie hätte es sein können“, wenn wir Entscheidungen anders getroffen hätten im Laufe unserer Karriere.
Das hört sich schnell nach einer Abrechnung aus Frust an, dabei stehen doch Iron Kobra auch ganz gerne dafür, dass sie sich eben nicht verbiegen, von der Rumpelkapelle mit gesungenem Solo, weil die Klampfe beim Solo verstimmt war, bis hin zu einem deutlich gereifteren Act. Hat nicht genau das den Charme der Gelsenkirchener ausgemacht, hat sich nicht deswegen auch eine beträchtliche Fanschar angesammelt, die genau dieses Erdige zu schätzen wissen?
Lightning Lord Python: Genau das ist ja immer noch der Charme für uns und wir haben uns in der Vergangenheit ja auch bewusst gegen eine deutlichere Professionalisierung entscheiden. Wir sind ja nie zu einem großen Label gegangen, auch wenn das zwischendurch mal möglich gewesen wäre, wir aber haben da die Integrität unserer Musik und Band in Gefahr gesehen. Auf der anderen Seite haben wir uns schon professionalisiert, denn wir sind heutzutage deutlich bessere Musiker als früher.
Und schiebt ein „hoffe ich“ noch schnell hinterher.
Sir Serpent: Wenn man sich die erste Demo oder die „Battlesword“ anhört, dann ist das schon ganz schön Krach, eine andere Welt. Wir haben uns da schon weiterentwickelt und man hört den beiden Songs auch an, dass es ein bisschen retrospektiv ist, dass wir bei den beiden Songs auch ein bisschen musikalisch in die Vergangenheit schauen, aber eben auch nach vorne, weil wir uns rifftechnisch schon verbessert haben. Und unser neuer Schlagzeiger gibt der Band und den Songs auch noch mal einen ganz anderen Pfiff.
Insgesamt geht es also um authentische Integrität, Fantasy-Welten und vor allem immer noch den Spaß an der Sache, auch wenn man den „fetten Managern hinter den fetten Labels“ eine Botschaft vor den Latz knallt. Wann ist man Produkt, wer steckt sich wann was in die Tasche und ist man am Ende froh, wenn die Null steht und man nicht draufzahlen muss? Der Underground lebt, wie hier durch Iron Kobra, die sich hoffentlich auch in Zukunft nicht verbiegen lassen, immer ein bisschen kantig und unbequem bleiben und wie mit „Schall und Rauch“ sowie „Kerker & Drachen“ zwei tödliche metallische Nummern aufbieten – veredelt durch die The-Pit.de-Backingshouts. Da kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen.