Im Player dreht die EP „Out Of The Smell Of Decay“ ihre Runden. Das hatten wir doch schon, wundert man sich, wenn man den Titel im Kopf umher wandern lässt. Stimmt, 2009 gab es von der Band X-Vivo doch das Werk „EgoPhobia“ und die nun auf der EP enthaltenen Songs sind dem Album entnommen. Ist doch irgendwie seltsam, 2013 ein vier Jahre altes Sammelsurium zu veröffentlichen.
Nein, das ist es ganz und gar nicht. Innerhalb der Band gab es 2010 Umbesetzungen, Shumon, Anna und Moppi verließen die Gruppe, neu dazu kamen Zeus X. Machina (bekannt durch Eden weint im Grab und Alina. Zeit also, „neu“ zu beginnen und sich die Tracks der damaligen Platte zu Herzen zu nehmen.
Fünf Tracks schafften den Sprung auf die Platte und schon der erste „Reflection RMX“ beginnt mit einem irren Spannungsaufbau, der vorsätzlich durch zu Beginn sehr ruhige Synthesizerklänge betört, und ein leichtes Donnergrollen im Hintergrund lässt vermuten, dass das Unwetter nicht weit weg ist. Ist es aber nicht, schnell erklingt die technisch verzerrte Stimme Kais und dann geht es rund. Die Gitarren übernehmen das Kommando und die gerade noch verzerrte Stimme zeigt nun wütende, aber klare Nuancen. X-Vivo machen so innerhalb einer Minute schon deutlich, wo sie stehen - mitten in einer irren Zusammenstellung von Industrial und Metal. Als dann noch Alinas Stimme erklingt, die den krassen Gegensatz zu Kai bildet, so sanft und engelsgleich kommt sie daher, wird deutlich, dass die Band nicht einfach alten Kram veröffentlicht, sondern dass schon der Song ein neues Stimm- und Instrumentengewand erhielt. Auch der nächste Track „Last Drop“ macht dort weiter, beginnend mit rauen Gitarren und direktem aggressiven Gebrüll, doch auch die die Keys drängen sich immer wieder in den Vordergrund. Das Thema Emotionen als Antrieb für das tägliche Tun wird so natürlich hervorragend interpretiert, auch hier erklingt Alinas Stimme genau an den richtigen Stellen und macht den Song sowohl musikalisch als auch thematisch rund.
Auch der Titelsong des 2009 erschienenen Albums „EgoPhobia“ hat den Sprung auf die EP geschafft und erstrahlt in neuem Glanz, der zum Ende des Stücks irre dunkel wird. Passend zum Thema des Songs, nämlich den Abgründen des Menschen, beginnt der Song nahezu freundlich und hoffnungsvoll, endet jedoch schwarz und hoffnungslos. Kais Stimme ist von Beginn an trübe, dunkel, wütend und macht so ohne Zweifel deutlich, wie es um den Menschen steht. Hoffnungen werden durch Alinas feine Stimme hervorgehoben.
Interessant ist dann noch die letzte Nummer auf der EP „Realität RMX“; der in deutscher Sprache verfasste Song ist nicht minder destruktiv als die vorher gespielten Songs, allerdings besticht dieser gerade anfangs durch eine Simplizität der Töne. Die Thematik „Technik trifft Vergangenheit“ wird hier sehr deutlich, der Fortschritt setzt sich aber schnell durch, die simplen Töne erhalten eine Tiefe und es dauert hier bis zur zweiten Minute, bis Kai die Führung übernimmt und wütend ins Mikrofon grölt. Die Sinnlosigkeit des Lebens wird als die Realität dargestellt und die Vocals stehen im krassen Gegensatz zu den fast hellen Tönen der Synthesizer und Drums. Ein wirklich gelungenes Stück, das mittig dann von Alinas Vocals nochmals in die hoffnungsvollere Richtung gerückt wird. Hilft allerdings nicht, denn die Realität ist die Sinnlosigkeit und so wird dies von den Berlinern auch musikalisch dargestellt, wenn der Song zum Ende hin leise ausschleicht.
Die Jungs und Mädels aus der Hauptstadt zeigen mit ihrer Art der Musik, dass sie wirklich mitten in einem Spannungsfeld die Saiten und die Keys spielen. Das, was der Zuhörer hier zwischen seine Ohren bekommt, ist in etwa so verwirrend, wie es sich während der Industrialisierung für die Menschen angefühlt haben muss. Gerade war noch alles mühsam, anstrengend und per Hand zu machen, nun geht das Licht an und die Arbeit wird leichter. Dass der Fortschritt aber nicht immer Segen ist, zeigen X-Vivo hier mit der Neuaufnahme fünf ihrer 2009 erschienenen Songs. Wünschenswert wäre, wenn sie diesen Weg nun weiter gehen und der Hörergemeinde schnell ein neues Werk präsentieren. Der Bruch, der 2010 innerhalb der Band stattfand, hat einen sehr positiven Einfluss auf die Musik genommen.