Wir kennen sie alle, diese Diskussion um den Propheten im eigenen Land, der so wenig beachtet oder im schlimmsten Fall auch so gar nichts wert ist. Anwärter auf das „teilweise ignoriert werden“ sind auch die Paderborner Torian, die schon mit ihrem Debüt „Dreams Under Ice“ ein beachtliches Ausrufezeichen setzen konnten, mit ihrem zweiten Album „Thunder Times“ dann auch glatt noch ein Schippchen drauf legten. Viele Bands könnten nun die Köpfe in den Sand stecken und die Klampfen an den Nagen hängen, die Ostwestfalen dagegen scheinen einfach noch ein wenig mehr daran zu wachsen und hauen drei Jahre nach dem zweiten Album mit „Dawn“ eine weitere Power-Metal-Perle heraus, die zum Glück auch mit nur meist spärlichem, höchstens zarte Akzente setzendem Keyboardklimpern auskommt.
Sicher, gute Bands gibt es allein schon in Nordrhein-Westfalen wie Kieselsteine im Rhein, die manchmal nur marginalen Unterschiede machen aber dann aus, ob der Daumen sich in der Waagerechten einpendelt, gar nach unter zeigt oder wie hier sich lieber der Sonne entgegen streckt. Wuchtig, melodiös, thrashig-aggressiv oder verträumt-balladesk, Torian punkten mit zwölf Tracks, wie sie kaum teutonischer sein können, wenn man so einige parallele Zitate einbezieht und doch heben sie irgendwie den Dreh heraus hat, im eigenen Bottich zu schwimmen.
Eines dieser Zitatbeispiele ist z.B. „Lost Command“, welches zuerst noch mit akustischen Gitarren eingeleitet wird, schnell aber in thrashiges Riffing übergeht, immer wieder von den Doublebass dominiert wird und in einem Refrain Marke Krefelder blinder Wächter übergeht. Hier zeigt sich auch das feine Näschen der Ostwestfalen, die immer wieder mit mitsingkompatiblen Refrains aufwarten, ohne allerdings in die Kitschecke abzudriften – ein Merkmal dafür, wie sich die Spreu doch vom Weizen trennt. Dass dabei Torian auf keine glattgebügelte Soundgestaltung wertlegen, merkt man allein daran, dass im akustischen Teil das Rutschen über den Gitarrensaiten nicht studiotechnisch wegretuschiert wurde, sondern sich im angenehm erdigen Sound einfügt.
Auch mit „Soul Desert Asylum“ ballern sie recht geschwind nach vorn wie alte Running Wild auf Speed und kratzen so ständig an der Grenze zum Thrash und machen deutlich, wo ihrer Meinung die Power des Metal steckt, doch Glanzlicht des Songs ist auch hier neben der genialen Gitarrenarbeit der extrem griffige Refrain, der sich ohrwurmartig im Schmalz des Gehörgangs förmlich einfräst. Überhaupt, von den rennenden Wilden haben sich so manche Zitate eingeschlichen, die aber mehr in der Vergangenheit angesiedelt sind und nichts mit dem überflüssigen Neuwerk zu tun haben. „Thunder Battalions“ ist so ein Kandidat, der bei dem martialischen Titel durchaus aufhorchen lässt und auch hier muss man spätestens im Refrain feststellen, wie locker doch den Torianern das Schreiben von eingängigen Refrains fällt – und wenn man ganz genau hört, könnte doch Rock’n’Rolf sogar als Gastsänger zugegen sein: „Bring the night, our dark delight“.
Und auch in „Lords Of Babylon“ spielen sie ihre oben schon beschriebenen Stärken aus, halten in den Startsequenzen auch locker mit prügelnden Kreator auf dem Melodietrip mit und kontern wieder mit einem Gänsehautrefrain, der sich gewaschen hat. Scheinbar mühelos wird das Tempo geändert, ein Solo taucht tief in den Rifffolgen ein und zaubert herrliche Momente hervor. Den Vogel schießen sie aber mit ihrem mehr als 16 Minuten langen Titeltrack „Dawn“ ab, verpassen dem Track zu Beginn eine stark Accept'sche Färbung, später dein pfeilfeine Gitarrensoli und epische Bridges, zur Hälfte ein besinnlicher Klampfenpart und über allem thronend eine saustarke Gesangsleistung – da wird die lange Spielzeit doch ein reichlich kurzweiliger Genuss.
Kommen wir zur genussvollen Prophezeiung: Torian werden es schwer haben, verdammt schwer; nicht, weil sie sich in die Phalanx überflüssiger Bands einreihen würden, sondern allein schon deswegen, weil die meisten doch lieber wieder dem nächsten US-Trend hinterhecheln und jeder ach-so-tollen B-, C- oder D-Band Streetcredibility andichten. Doch wenn man den Blick einfach mal gen ostwestfalisches Paderborn schwenkt, dann kann man Torian entdecken, die noch mehr als zuvor ihre Stärken ausspielen und mit „Dawn“ ein Power-Metal-Scheibchen ins Rennen schicken, womit der Band einfach deutlich mehr Zuspruch zusteht. Kein wenn und aber – „Dawn“ gehört in der Bundesliga in die Top fünf und ist somit Kandidat für internationale Weihen.