Gerade bei Death-Metal-Bands muss man sich oft unbequeme Fragen stellen. Wo liegt die Grenze zwischen Brutalität und stumpfem Drauflosgedresche? Wenn man eine Platte anhört und erst beim Blick auf die Tracklist überhaupt merkt, dass der Durchlauf schon wieder von vorne begonnen hat – ist das dann der Eintönigkeit der Songs geschuldet oder klingt die Scheibe einfach nur „wie aus einem Guss“? Selbst als Genrefan kommt man an derlei Überlegungen oft nicht vorbei.
Solche und ähnliche Grübeleien schwirren einem bei der neuen Terrible Sickness-Scheibe „Flesh For The Insatiable“ dann auch schon mal durchs Hirn. Pluspunkte kann man hier aber gleich mal als Erstes nennen: Das Artwork der bereits im Herbst erschienen dritten Full-Length-Scheibe der Niedersachsen ist geradezu genial fies ausgefallen, passend auch zum Bandnamen, und erneut ausgeführt von Daniel Bartell, mit dem die Band auch schon früher zusammen gearbeitet hatte. Bei der knapp 40-minütigen akustischen Bombardierung fällt außerdem auf: Die Herrschaften versuchen nicht ein einziges Mal, Melodie mit ins Boot zu holen, um sich womöglich eine breitere Hörerschaft zu sichern. Stattdessen wird erbarmungslos drauflos geschreddert, Titel wie „Living Disembowelment“ oder „Putrid Infection“ zeigen da stilsicher den Weg, zumal die Truppe als grande finale dann auch noch „Feeding Fatal Fairies“ der schwedischen Defleshed beisteuert (allein der Titel!). Unterstützung findet das Quintett übrigens auf mehreren Songs von Torchure-Fronter Martin Matzak, man kann sich also über doppelten Stimmbandkollaps freuen.
Jetzt also: Mögen muss man die Dauerbombadierung natürlich. Als Nicht-Todesmetaller sollte man einen weiten Bogen um die Scheibe machen und möglichst Lärmschutz auf den Ohren tragen. Mit „Carnage“ startet die Platte aber doch so, dass sie jedem Fan die Tränen in die Augen treiben dürfte: schnell, brutal und mit Monstergrowls von Fronter Florian. Dass im Folgenden das Bremspedal nicht mal aus dem Augenwinkel begutachtet wird, dürfte dann eigentlich auch klar sein – Blastbeats, wohin das Ohr auch lauscht, da nimmt sich das Intro eines Songs wie „Winds Of Extinction“ ja geradezu wie ein mildes Lüftchen aus. Schnell wird das Tempo wieder angezogen und deftig drauflosgebollert, man will ja nicht, dass die Hörenden sich fühlen wie bei einer Pop-Band.
Dass Terrible Sickness auch einen unfassbar düsteren Grundton parat haben, fällt gerade im genannten „Winds Of Extinction“ positiv ins Gewicht, während bei „Bloody Guts“ gar nicht mal irgendeine Form von Atmosphäre gewünscht zu sein scheint, sondern einfach straight durch die Boxen gekotzt wird. Derweil wäre es ratsam, sich einen Kamillentee aufzubrühen, wir befinden uns nämlich gerade mal auf halber Strecke.
Dass die elf Songs sich zwischen zweieinhalb und etwas über vier Minuten Spielzeit bewegen, lässt zumindest schon mal vermuten, dass Raffinesse hier nicht unbedingt zu den Grundzutaten gehört. Terrible Sickness wünschen keine Schnörkel, sondern gnadenlosen Death Metal. Das funktioniert über einen gewissen Zeitraum auch ganz passabel und gerade der druckvolle Sound der Scheibe trägt nicht unerheblich zum Hörgenuss bei. Dennoch: Mit der x-ten Runde wird „Flesh For The Insatiable“ ein bisschen stumpf an den Ecken. Im oberen Mittelfeld kann man die Scheibe aber guten Gewissens ansetzen und den Namen mal vormerken – für Kurzweil sorgten die Jungs nämlich in jedem Fall.