Kaum einer Band gelingt es, eine solch dichte Atmosphäre zu erschaffen, wie die Finnen Swallow The Sun es seit nunmehr neun Jahren tun. Undurchdringliche Wälder und dunkle Sümpfe erscheinen seit jeher vor dem inneren Auge des aufmerksamen Hörers, man fühlt sich geradezu in eine andere Welt versetzt. Nachdem die Sonnenschlucker dieses finstere Kopfkino mit ihrer überlangen EP „Plague Of Butterflies“ zur Perfektion führten, steht nun das mit „New Moon“ betitelte nächste Langeisen in den Startlöchern – dieses Mal widmete man sich jedoch nicht nur dem Feinschliff, sondern wagt auch ein paar mehr oder weniger tief greifende Veränderungen.
Wer nun jedoch befürchtet, Swallow The Sun hätten einen Stilwechsel vollzogen, kann aufatmen: Die Grundzutaten sind immer noch dieselben geblieben und auch die düstere Stimmung ist noch vorhanden, vielleicht sogar mehr als zuvor. Noch immer wird größtenteils Melodic Death Metal mit einem deutlichen Doom-Anteil (oder umgekehrt) kombiniert, in dem geisterhafte Melodien erklingen und sanfte Keyboardklänge ertönen. Auch beim Gesang hat sich nicht viel verändert, Mikko Kotamäki growlt unverändert auf einem emotionalen und technischem Niveau, das nahezu unerreicht ist – zudem hat der Sänger auch viel an seiner sonstigen Stimmleistung gefeilt, Klargesang und die Black-Metal-artigen Krächzer erschallen mit nie gehörter Intensität. Was aber nun hat sich verändert? Die Antworten liegen im Detail, denn viele neue Ideen wurden so geschickt in das Songwriting eingewoben, dass sie am Grundgerüst der Stücke gar nicht allzu viel ändern.
Sobald die ersten Töne des Intros von „These Woods Breathe Evil“ erklingen, bieten sich dem Hörer sogleich die gewohnten Swallow-The-Sun-Harmonien samt den melancholischen cleanen Gitarren. An diesem Eindruck ändert sich auch im weiteren Verlauf des Stückes nicht viel, sieht man einmal davon ab, dass kaum auf Growls, sondern hauptsächlich auf Black-Metal-Vocals zurückgegriffen wird, denn auch mit dem Einsetzen der schwermütigen Riffs scheint es sich hier um einen für die Band typischen Song zu handeln. Mit dem nachfolgenden Track „Falling World“ ergibt sich dann jedoch die erste Überraschung: Das sehr melodische Riffing ist zwar melancholisch, mutet aber lange nicht so verzweifelt wie gewohnt an und noch dazu kommt, dass fast ausschließlich auf klaren Gesang vertraut wird. Schon in den schleppenden Strophen fällt auf, dass Mikko an seiner Stimme gefeilt hat, doch spätestens beim Refrain dürfte jeder bemerkt haben, dass man den Mann so noch nie gehört hat. Mit reichlich Gefühl trägt der Sänger den eingängigen Refrain kraftvoll vor und obwohl sich bisher kein so gearteter Song im Reportoire der Finnen befand, so klingt er doch unverkennbar nach Swallow The Sun.
Weniger unerwartet geht es dann mit „Sleepless Swans“ weiter, dafür aber mit exzellentem Songwriting: Nach dem ruhigen, mit sphärischen Keys versehenen Intro setzt verlorener Gesang ein, bevor das Stück an Dramatik zulegt und beeindruckende Growls und Screams das Gesamtbild ergänzen. Anhängern der doomigen Stücke der Band wird zudem der Zeitlupen-Teil des Songs viel Freude bereiten, denn hier wird sich geschwindigkeits- und stimmungstechnisch stark am Funeral Doom orientiert. „...and Heavens Cried Blood“ schlägt in eine ähnliche Kerbe und wartet zudem noch mit sanften Piano-Klängen auf, bevor mit „Lights On The Lake (Horror Pt III)“ wieder ein wenig mehr experimentiert wird. Anstatt Mikkos Organ vernimmt man hier sanften und ätherisch anmutenden Frauengesang, der gelegentlich von den Growls des eigentlichen Frontmannes abgelöst wird. Das enorm abwechslungsreiche Stück bietet zwischendurch sogar einen Blastbeat inklusive einer Black-Metal-Passage – dieses Tempo hätte man sicherlich als letztes von Swallow The Sun erwartet.
Der Titeltrack „New Moon“ ist stilistisch ähnlich gelagert wie „Falling World“ und begeistert erneut mit einem grandiosen Refrain, während „Servant Of Sorrow“ wie „Sleepless Swans“ mit einer sehr durchdachten Songstruktur überzeugt. Abschließend darf natürlich ein überragendes Finale nicht fehlen, das dieses Mal in Form des rund neun Minuten langen „Weight Of The Dead“ geboten wird: Eingeleitet mit orchestralen Keyboard-Klängen bricht schon nach kurzer Zeit erneut die Doublebass über den Hörer herein, bevor das Stück abrupt abbricht und sich in Doom-Gefilde zurückzieht, bis der mit viel Bombast in Form von düsteren Chorälen ausgestattete Endteil eingeläutet wird.
Schon der Vorgänger „Hope“ war ein kleines Meisterwerk seines Genres, doch mit „New Moon“ können Swallow The Sun dieses Niveau problemlos halten, wenn nicht sogar noch übertreffen. Einige kleine Experimente bringen mehr Abwechslung ins Spiel, zerstören jedoch nicht die dichte Stimmung. Das ausgereifte und komplexe Songwriting erledigt den Rest und lässt das Album auch nach zahllosen Durchläufen nicht langweilig werden, denn immer wieder lassen sich kleine Details und Nuancen in den Stücken entdecken.
Wer sich mit düsterem und atmosphärischem Metal anfreunden kann, kommt um diese CD nicht herum, denn neben Katatonias „Night Is The New Day“ steht hier einer der durchdachtesten und gelungensten Vertreter dieser Gattung dieses Jahres in den Regalen. So wie auf dem Debüt „The Morning Never Came“ klingen die Finnen zwar nicht mehr, doch ihren unverkennbaren Stil haben sie sich bewahrt und weiter ausgebaut, so dass kaum ein Fan der Band enttäuscht sein dürfte.