Still Talk aus Köln würde man nach dem ersten Hören niemals nach Köln verorten. Nicht mal nach Deutschland. Fronterin Tanja Kührer wuchtet die letztjährig erschienene Debüt-EP mit dem großartigen Titel „A Short Collection Of Songs About How Easily I’m Distracted“ quasi mit dem kleinen Finger und klingt dabei wie die etwas weniger quietschige Schwester von Paramore-Sängerin Hayley Williams, die Instrumentalfraktion agiert derweil wie die abgeklärtesten US-Emo-Punkbands der frühen und mittleren 2000er.
Und mit „Dreaming“ startet das Scheibchen dann auch genre-gerecht schwungvoll, thematisch befasst sich der Track mit dem breiten Thema Enttäuschung – und entstand nach einem Traum, in dem Sängerin Tanja von Schafen gejagt wurde. Wer einmal den Film „Black Sheep“ gesehen hat, kann sich denken, dass das nur bedingt lustig ist. Der Song allerdings begeistert auf der ganzen Linie und kann direkt als erster Anspieltipp dienen.
Auch „Veronica“ wurde im Voraus bereits als Single bereitgestellt, kommt deutlich gedämpfter daher und befasst sich mit leidigen abhängigen Beziehungen, die man zwar um des lieben Seelenfriedens beenden will, aber dann doch nicht den Arsch hochbekommt – sicherlich ein Thema, das viele kennen und das ausreichend frustrierten Stoff bietet, um noch eine Million Songs darüber zu machen. Der hier vorliegende ist dabei sicherlich einer der besseren; die Band agiert jenseits von Kitsch und Klischees, ohne allerdings allzu große Experimente eingehen zu müssen.
Dass die Kölner Formation im schnelleren Tempo deutlich mehr punkten kann, beweist einmal mehr „60 Years“, das forsch voranschreitet und zum Tanzen ebenso wie zum Mitsingen einlädt. Ein schwungvoller, energiegeladener und merkwürdig gut gelaunter Track für das ernste und schwierige Thema psychischer Erkrankungen.
Eine clevere Lösung haben sich Still Talk für das zwar solide, aber am Ende alles überwabernde „Nothing“ einfallen lassen: Als Stripped-Down-Version punktet der Track nämlich deutlich mehr und finalisiert die EP als waschechte Emo-Ballade, die tatsächlich pure Gänsehaut verursacht und wie auch der Rest der Scheibe keineswegs die Kitschfahne schwenkt. Als Band mit Emo- und Pop-Punk-Einflüssen ist das keineswegs eine Selbstverständlichkeit.
Unterm Strich kann man positiv überrascht sein über eine deutsche Band, die sich auf ihrem Debüt so deutlich an US-Bands orientiert ohne wie ein billiger Abklatsch zu wirken. Mit Stücken wie „Dreaming“ oder der abgespeckten „Nothing“-Version hat das Quartett einige Knaller im Gepäck, die sicherlich schnell eine Fangemeinde um die Truppe scharen werden. Wir sind gespannt was das noch kommt und freuen uns auf neues Material!