„Keep the spirit alive“ – selten dürfte dieser Spruch genau so passen wie hier. „NewWave Of British Heavy Metal“, auch heute noch für viele Anhänger einfach nur magisch, eine verrückte Zeit voller Aufbruch und Tatendrang, mystischen Geschichten, wirren Phantastereien und vor allem ein immer mehr verklärter Blick zurück in die Vergangenheit. Sammler zahlen teilweise wahnwitzige Summen für völlig obskure 7“ in Kleinstauflagen, die häufig noch nicht einmal mit einem Cover und entsprechendem Artwork aufwarten können, und – Achtung: ketzerisch – genauso viel Scheiße produzierten wie es heute auf dem stählernden Musikmarkt (in Relation gesehen) auch noch gibt.
Zwei Jahre nach dem überall nur mit Lobeshymnen übersäten Debut „NWOBHM For Muthas“ erscheint nun der Nachfolger „Lords Of The NWOBHM“ der umtriebigen Roxxcalibur – umtriebig deswegen, weil die Jungs ja nicht nur in dieser ursprünglich als Projekt geplanten Combo ihrer Musikleidenschaft frönen, sondern gleich als Backingband häufig schon hunderte oder tausende Fans begeisterten – ohne Roxxcalibur hätten die Fans z. B. auf die Auftritte von Savage Grace oder auch Masters Of Metal (Agent Steel ohne John Cyriis) verzichten müssen.
Jetzt aber mal zum vorliegenden Longplayer, der über mehr als 60 Minuten eine Zeitreise in die Anfänge unserer favorisierten, nicht selten bis ins Blut verehrten Musik entführt. Schon allein das Intro „London Bridge Is Falling Down“ ist reichlich kultig, denn es wird nicht nur der Bezug zur britischen Musiklandschaft hergestellt, sondern die Kinderstimmen symbolisieren auch eine Szene in den Kinderschuhen - mindestens 99 Prozent der LeserInnen hier dürften zur damaligen Zeit noch nicht einmal ein schmutziger Gedanke ihrer Eltern gewesen sein. Über die weitere Songauswahl ließe sich natürlich trefflich streiten: „Warum haben die denn nicht?“, Wieso gerade der Song, weil der ist doch besser!“, „Aber und oder wenn“ usw. – genug Spielraum, um sich auf einen hoffentlich dritten Longplayer vorzubereiten. Ja, richtig gelesen, ein dritter muss her, denn das Old-School-Feuerwerk der Roxxcaliburschen darf mit dieser phantastischen Scheibe nicht enden.
Neben auch heute noch in der Szene bekannten Dauerbrennern wie More, Tokyo Blade oder Tygers Of Pan Tang tummeln sich dann hier auch richtig exotische Truppen – Hollow Ground (1980 brachten sie ihre einzige 7“, „Warlord“, heraus) treffen da auf Oxym (ebenfalls nur eine 7“, „Music Power“, 1980), Cryer (eine 7“ 1980 unter dem Namen The Single“, 1984 eine LP, „Set Me Free“ als Force) konkurrieren auf der Raritätenbörse mit Sparta (immerhin zwei 7“; „Fast Lane“ und „Angel of Death“, beide 1981).
Absolut unmöglich ist es dann, einen oder mehrere Songs herauszuheben – Gleichberechtigung hat auf dieser Scheibe Einzug gehalten. Treibende Songs wie „Atomic Rock“ oder das geniale „Head Will Roll“ (man muss sich nur vorstellen, wie verschreckt das Bürgertum auf einen Namen wie Satan reagierte, wo doch die Musik nur vom Beelzebub höchstpersönlich kommen konnte) – ach Quatsch, hier muss nicht weiter differenziert werden – „Lords Of The NWOBHM“ macht einfach von der ersten bis zur letzten Sekunde Spaß.
„Lift Up Your Eyes“ muss allerdings doch noch gesondert erwähnt werden, schließlich war dieser Saxon-Track im Original lediglich ein Muckefetzen von knapp einer Minute, und Biff selbst gab seine Zustimmung, daraus eine Komplettversion zu komponieren. Da kann man nur dem Promoschreiben zustimmen, dass dieser Song so auch auf der „Wheels Of Steel“ oder „Strong Arm Of The Law“ hätte stehen können – gut gemacht, setzten – eins.
Eigentlich erübrigt sich ja ein Fazit: „Lords Of The NWOBH“ hat gefährliche Nebenwirkungen – nicht nur der Blick in die Vergangenheit lässt so manche „Damals war alles besser“-Gefühle aufkommen (was übrigens in sich leider auch nicht stimmig ist), Sammler müssen mit ihrer Bank über einen erweiterten Kreditspielraum verhandeln, um die eine oder andere Lücke unter den Originalen zu schließen, Schreiberlinge können ihren wachsenden Promohaufen nicht mehr abarbeiten, weil man diese Scheibe partout nicht aus dem Player bugsieren will – Roxxcalibur haben eine (Cover-)Scheibe hingelegt, die im weiten Feld des Stahls den AOR-orientierten Old Schooler bis hin zum „open minded“-Black Metaller alle zufrieden stellen dürfte. Vergesst bisherige Worte wie „absolute Kaufempfehlung“ für andere Platten, denn das kann nur hier so sein: „Absolute Kaufempfehlung!“