Ist ja schon lange her, da bekam man unweigerlich Pipi in den Augen, wenn nur der Name Queensrÿche fiel, gehörten sie doch schließlich zur Speerspitze der Prog-Metal-Bewegung, und Alben wie „Operation: Mindcrime“ sowie „Empire“ gehörten einfach in jeden gut sortierten Plattenschrank. Sogar viele Thrash- und Deathheads mussten (widerwillig) zugeben, dass diese beiden genannten Alben einfach wirkliche Meilensteine der Musikgeschichte waren und sind.
Nach dem Ausstieg von Chris DeGarmo ging dann nicht nur ein begnadeter Gitarrist, sondern auch alle Leichtigkeit im Songwriting flöten; fortan lebten Queensrÿche vom Ruhm vergangener Tage. Genau dieses Flair rettete sich bis in die Neuzeit, auch wenn das Seattle-Quartett durch mehr als mäßige Alben nach der Jahrtausendwende längst aus dem Gedächtnisspeicher gespielt hat. Trotzdem war die Vorfreude groß, als die Promo in der Redaktion eintrudelte – doch mit einer fiesen Blutgrätsche wurden alle Erwartungen gleich beim ersten Durchlauf in die Grasnarbe versenkt.
Nun gut, ist ja nun auch nicht einfache und alltägliche Kost, nochmals den Schorf vom Kopf kratzen und entspannt ein paar weitere Durchläufe abwarten. Doch Entspannung kommt nicht auf, ganz im Gegenteil, das erste Unbehagen weicht der wachsenden Verzweiflung, bevor sich dann auch noch das pure Entsetzen breit macht, denn auch nach der mittlerweile (ungelogen) mindestens zwanzigsten Komplettbeschallung kristallisiert sich nicht ein wirklich gelungener Song heraus.
Dabei machen die ersten Tonsequenzen von „Get Started“ gleich Spaß – für knappe zwanzig Sekunden – bevor dann mit einsetzendem Gesang der Popfaktor der Vorfreude den Garaus macht. Viel schlimmer wird es dann auch zügig mit „Around The World“ – der Song hätte mit seinem „All you need is love“ genauso gut auch von Robbie Williams intoniert werden können. In „Higher“ offenbaren Queensrÿche noch am ehesten ihr Potenzial für eingängige und nicht zu arg weichgespülte Melodielinien, doch spätestens die völlig berechenbaren Arrangements reißen einen dann aus den gegenwärtigen Tagträumen und lüften den Schleier der poppigen Verblendung. Der dramaturgische Spannungsaufbau im Mittelteil lockt auch nur noch ein müdes Gähnen hervor. Aber hey, das waren doch auch erst fünf Songs, gleich ist Halbzeit auf der „Dedicated To Chaos“, aber wenn nicht so langsam das Gefühl der Queensrÿche-Euphorie einsetzt, dann…ja, was dann.
Gut, ein wenig experimentieren sie mit fremdländischen Klängen in „Got It Bad“, doch die seligen Saigon Kick hatten das meilenweit besser drauf. „Drive“ kommt wie eine Mischung aus Rick Springfield meets „wer weiß was“ daher – dagegen glänzt ja schon „Retail Therapy“ zumindest mit groovigem Start, und „Wot We Do“ hätte sicherlich mit Tina Turner im Duett mehr hergemacht.
„Dedicated To Gefühlchaos“ oder besser „Dedicated to totaler Verzweiflung“ sind Titel, die sicherlich besser den Inhalt dieses Silberlings widerspiegeln. Wo ist die Leichtigkeit hin, mit der Queensrÿche eine Ballade wie „Silent Lucidity“ aus dem Ärmel schüttelte, Gänsepelle-Smasher wie „Eyes Of A Stranger“ die komplette Konkurrenz ins Abseits bugsierte, wo „Best I Can“ sogar hartgesottene Metaller zu schmachtende Stubentiger mutieren ließ? Natürlich sollen die Seattle-Boys nicht ihre eigene Vergangenheit kopieren, aber „Dedicated To Chaos“ ist fast durchweg erschreckend belanglos. Die Batterie in der Player-Fernbedienung leidet unter der verkürzten Lebensdauer, denn die Skip-Taste muss bei diesem Schuss in den Ofen häufiger bedient werden. So, der schlechte Eindruck kann jetzt nur durch eine zehnfache Portion „Queen Of The Reich“ gelöscht werden. Ach ja: Wie kommen die Punkte zustande: keine Ahnung, obige Verzweiflung, mindestens eine Tonne Sentimentalität und der Glaube an das Gute im Menschen machen zusammen 4,5 Points.