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Porcupine Tree: Closure/Continuation

Starkes Rückkehralbum von Wilson und Co.
Wertung: 9/10
Genre: Progressive Rock
Spielzeit: 48:01/65:48
Release: 24.06.2022
Label: Music For Nations (Sony)

Wir erinnern uns ans Jahr 2010: Da hatten Psychotic Waltz bekanntgegeben, sich wieder in Originalbesetzung formiert zu haben und sogar an einem neuen Album zu arbeiten. Diese Reunion schien aus verschiedenen Gründen unmöglich, unvorstellbar zu sein – und auch wenn es bis zum Release des Comebackalbums noch fast zehn Jahre dauern sollte, war die legendäre Band doch wiederauferstanden und machte damit Heerscharen von Fans überglücklich. Porcupine Tree hingegen hatten sich zwar nie offiziell aufgelöst, doch noch vor wenigen Jahren schloss Bandleader Steven Wilson eine Rückkehr der Truppe praktisch aus. Was angesichts seiner äußerst erfolgreichen Solokarriere nicht allzu verwunderlich war. Manchmal kommt es aber dann eben doch anders: Kryptischen Botschaften und Andeutungen folgte eine Single und nun tatsächlich – erfreulicherweise nicht erst nach zehn Jahren – ein komplettes Album.

Wobei man allerdings über viele Jahre hinweg an den Songs arbeitete, die lange in der Schublade lagen, denn nach der 2009er Platte „The Incident“ war zunächst nicht geplant, die Band auf Eis zu legen – ein neues Album um 2012 herum war an sich angedacht. Bestimmt ein Grund, weswegen „Closure/Continuation“ sich nicht so anhört, als wären seit „The Incident“ bereits 13 Jahre vergangen. Gleichzeitig gelingt PT das Kunststück, auch den Bogen zu früheren Werken und Stevens Solokarriere zu spannen. Wilson meint denn auch, dass, obwohl die Entwürfe der auf „C/C“ enthaltenen Songs schon vor langer Zeit entwickelt wurden, das Album „in dieser Form erst 2022 erscheinen“ konnte.

Eingeleitet von einem aggressiv schnarrenden Bass, macht bereits „Harridan“, Opener und erste Singleauskopplung, ordentlich was her: Ein flotter, düsterer Song ganz im Stile der Porcupine Tree der Nuller Jahre voller Detailverliebtheit und Dynamik und trotz krummen 5/4-Takts ziemlich eingängig. Ein Top-Comebacksong; wer als Fan da nicht direkt aus den Socken gehauen war, dem ist wohl nicht zu helfen. Zumal der Sound einfach dermaßen unglaublich ist, dass einem die Ohren wegfliegen. Was für ein Tüftler und Perfektionist Wilson diesbezüglich ist, weiß man natürlich, aber mit der Produktion dieses Albums hat er sich selbst übertroffen. Allein die Drums könnten geiler nicht klingen und bringen so die ganzen Unglaublichkeiten, die Schlagwerker Gavin Harrison vollzieht, nuanciert hervor.

Mit Eingängigkeit wartet man auch bei „Rats Return“ auf – was für ein Killerriff; rhythmisch vertrackt, aber diesmal in einen konventionellen 4/4-Takt verpackt und klanglich angeschrägt, fühlt man sich hier ein wenig an King Crimsons „Red“ erinnert. Vielleicht der Song des Jahres, garniert mit einem verstörenden Video und textlich sehr aktuell, befassen sich die Lyrics mit Leuten, die (diktatorisch) über eine Nation herrschen, aber eigentlich die letzten Menschen sind, die dafür die Eignung besitzen, weil sie im Endeffekt eben doch nur im eigenen Interesse handeln.

Die in „Lightbulb Sun“-Richtung tendierende Halbballade „On The New Day“ scheint da zunächst etwas unspektakulärer zu sein, arbeitet mit PT-typischen Mitteln wie dem Wechsel zwischen melancholischen, verträumten Melodien und harschem Riffing, wächst jedoch mit jedem Durchlauf, zumal die Band erneut mit komplexen Taktwechseln operiert, die dennoch nicht gekünstelt klingen. Bei „Herd Culling“ standen wiederum offenkundig Tool als Inspiration Pate (eine Band, die ja ebenfalls lange auf ein neues Album warten ließ), was sich auch in den perkussiven Elementen niederschlägt. Die im Vorfeld veröffentlichte, gekürzte Singleversion ist eher wenig wirkungsvoll, so richtig entfaltet sich das Stück erst in der siebenminütigen Albumvariante.

Die melodische Seite der Engländer à la „Stupid Dream“ kommt vor allem im sinnlichen „Dignity“ zum Tragen; Richard Barbieri beweist hier, was für ein Soundscaping-Meister er ist, Stevens mehrstimmiger Gesang lädt zum Schwelgen ein und die mittige Passage mit dem verzerrten Bass ist völlig entrückt – eine Melodie-Wundertüte allererster Güte gefüllt mit tollen Einfällen und Wendungen. Beim das reguläre Album beschließenden „Chimera’s Wreck“ werden dann alle möglichen progressiven Elemente verknüpft: Sich behutsam aufbauend, erinnert das Ganze zu Beginn an Songs wie „Ancestral“ oder „The Watchmaker“ aus Wilsons Solokarriere, um dann in eine Rush-artige Gitarrenfanfare zu münden.

Am gewöhnungsbedürftigsten dürfte sicherlich „Walk The Plank“ anmuten, das viele elektronische Spielereien beinhaltet und von der Atmosphäre her an Stevens fünftes Soloalbum „To The Bone“ denken lässt. Auch „Heartattack In A Layby“ kommt in den Sinn; eine deprimierende Nummer mit prominenter Bassline, die sich letztlich doch gut einfügt und wieder unterstreicht, was für Klangmagier die Briten sind.

Wer hier noch nicht genug hat, für den halten Porcupine Tree außerdem drei Bonustracks bereit (die physisch anscheinend leider nur auf der völlig überteuerten Deluxe-Version vorhanden sind – eine sehr fragwürdige Veröffentlichungspolitik), welche ebenfalls allesamt gelungen sind: „Love In The Past Tense“ tönt ebenso sonnig wie elegisch, ebenso tiefschürfend wie weitreichend, während „Never Have“ fetziger und mit „Happiness III“- und teilweise leichter Yes-Schlagseite daherkommt und mit Klavier, Glockenspiel und Marimba reichhaltig instrumentiert wurde. Der letzte Bonussong „Population Three“ stellt ein Instrumental dar, das Reminiszenzen sowohl an Opeths „Hex Omega“ als auch „Sunday Rain Sets In“ (wie „Happiness III“ von der „4 ½“-EP) aufkeimen lässt.     

Insgesamt ist die Atmosphäre von „Closure/Continuation“ recht „Nil Recurring“-lastig, trotzdem präsentiert sich die Platte vielfältig und fasst die Essenz dieser Ausnahmeformation bestens zusammen. Ist es also tatsächlich das letzte Album? Der Titel jedenfalls spielt clever mit der Unsicherheit der Band selbst, ob es sich nun um einen Abschluss oder doch einen Neuanfang handelt. Was auch immer es ist oder sein wird, ein tolles Comeback liegt zweifellos vor. Ein Wermutstropfen bleibt sicherlich, dass Bassist Colin Edwin nicht dabei ist und auch mit keinem Wort erwähnt wird. Produktion und Songwriting sind zwar bockstark, doch die Höchstnote wäre dann doch übertrieben, denn Meisterwerke wie „Fear Of A Blank Planet“, „In Absentia“ oder „Stupid Dream“ sind schlicht nicht zu überbieten.

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