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Pattern-Seeking Animals: Prehensile Tales

Proggiger, komplexer und üppiger als der Erstling
Wertung: 9/10
Genre: Progressive Rock
Spielzeit: 55:27
Release: 15.05.2020
Label: InsideOut

Nicht mal ein Jahr hat es gedauert, dass der Nachfolger des selbstbetitelten Debütalbums von Pattern-Seeking Animals vorliegt – Respekt für so ein flottes Tempo. Zwar erklärte Keyboarder und Hauptsongschreiber John Boegehold direkt nach dem Release des starken Erstlings, dass bereits weiteres Material vorhanden sei, aber das muss ja nicht zwangsläufig bedeuten, dass dies auch zeitnah veröffentlicht wird. Offensichtlich jedoch war die Band bis in die Haarspitzen motiviert und hat sich flugs an die Arbeit zum zweiten Werk gemacht.

Herausgekommen ist dabei eine Scheibe, die eine deutliche Weiterentwicklung zeigt. Die Tatsache allein, dass sich auf „Prehensile Tales“ lediglich sechs Stücke bei ungefähr gleicher Spielzeit befinden (denen allesamt lose das lyrische Thema Tod und Vergänglichkeit zugrunde liegt), impliziert, dass man die progressive Richtung noch mehr auslotet. So erklärt Boegehold denn auch, dass er bewusst eine leicht veränderte Herangehensweise beim Songwriting wählte und sich von verschiedensten musikalischen Einflüssen inspirieren ließ, ohne den Vibe der Band allzu sehr zu verändern.

Eine zutreffende Zusammenfassung; ein paar Streicher gab es auf dem Debüt ebenfalls schon zu hören, doch mit dem sporadischen Einsatz von Flöte, Trompete und Saxophon wurde die klangliche Palette noch deutlich erweitert und kompositorisch agiert man komplexer und vielschichtiger. So präsentiert sich bereits der Opener „Raining Hard in Heaven“ als spannender Parcours, der mit einem groovigen Basslauf und fluffigen Akustikgitarren beginnt, um zunächst in einen leicht vertrackten Part zu münden, welcher sich dann zu einer sonnigen Ode mit blühenden Melodien auffächert, getragen von prachtvollen Orgelteppichen und choralartigen Gesangsharmonien. Schade zwar, dass der coole Anfangspart später nicht noch einmal auftaucht, dennoch allein durch die lineare Struktur eine interessante Nummer, die wegen ihrer unglaublichen Leichtfüßigkeit trotzdem nicht sperrig erscheint.   

Auch das folgende „Here In My Autumn“ fließt trotz acht Minuten Länge problemlos und becirct mit wundervollen, bittersüßen Tonfolgen und melancholischen Streichern und Flöten, die der Elegie zusätzliche Farbe verleihen. Wenn Frontmann und Gitarrist Ted Leonard, der sich erneut in Topform zeigt, von „infektiösen Melodien“ auf der Scheibe spricht, trifft dies ganz sicher vor allem auf diesen Song zu – den Refrain singt man nach Tagen ganz unbewusst immer wieder vor sich hin und das opulente Arrangement gibt von Mal zu Mal mehr Details preis. Fantastisch!

„Elegant Vampires“ und „Why Don’t We Run“ stellen anschließend zwei kürzere Tracks dar, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Ersteres kommt dem Titel gemäß mit spukhafter Atmosphäre daher und bildet eine Art Gegenstück zu „We Write The Ghost Stories“ vom Vorgänger – ist mit seinem abermals bockstarken Refrain allerdings noch besser geraten. Mit der zweitgenannten Komposition hingegen betritt die Band gänzlich neues Terrain: Die darin transportierte Western-/Mariachi-Stimmung ist anfänglich zwar gewöhnungsbedürftig, funktioniert letztlich aber doch gut, zumal auch hier wieder ein klasse Refrain zum Vorschein kommt.

Am erwartungsvollsten hat man natürlich auf die letzten beiden Stücke geschaut, die zusammen mehr Spielzeit aufweisen als die vier Songs davor. „Lifeboat“ mit über 17 Minuten Länge darf man als klassisches Prog-Epos bezeichnen, das eine kleine Geschichte von Schiffbrüchigen erzählt, was musikalisch stimmig wiedergegeben wird: Der schleppende Part mit knurrigen Saxophonen und gedämpften Trompeten scheint die Zermürbung der Protagonisten widerzuspiegeln, das folgende, an Yes erinnernde Segment die stürmische See.

„Soon But Not Today“ indessen wirkt mit seinen teils grotesken Keyboardsounds gelegentlich etwas Gimmick-haft; da sind die kauzigen Ausflüge des großen Verwandten Spock’s Beard ungezwungener – Geschmackssache. Trotzdem beachtenswert, wie hier kunstvoll und recht akkurat Queen-mäßige Brian May-Gedächtnisgitarren, Beatles-Anklänge und Reggae (!)-Elemente unter einen Hut gebracht werden (auch wenn ich persönlich Reggae als die schlimmste Musikart überhaupt ansehe). Und an den melancholischen Stellen weiß auch dieses Stück zu Tränen zu rühren.

Dieser enorm wechselhafte Abschlusstrack untermauert auf jeden Fall noch einmal in aller Deutlichkeit, dass die Band auf „Prehensile Tales“ mutig experimentiert und beim Songwriting gern unkonventionelle Wege geht. Dabei trotzdem immer noch mit qualitativ überragenden Refrains und wunderschönen Melodien um sich zu werfen und nichts komplett aus dem Ruder laufen zu lassen, verdient Hochachtung, unterstreicht aber natürlich auch, was für erfahrene und großartige Musiker am Werk sind. Letzteres gilt ebenso für die organische wie klare Produktion, die Boegehold erneut selbst übernommen hat und die den Siebziger-Spirit perfekt einfängt, dabei aber zeitlos tönt. „Prehensile Tales“ macht viel Spaß und steht der aktuellen Spock’s Beard in nichts nach!

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