Im Oktober 2021 hatten die Koblenzer Liotta Seoul ihre Platte „Cool“ veröffentlicht; darauf: der Track „Airplane“. Über ein Jahr später läuft der Song, wie in der damaligen Rezension prophezeit, noch immer sehr regelmäßig in der heimischen Playlist.
Mehr müsste man über den Neo-Grunge der Truppe eigentlich nicht sagen, aber dann wäre dieses Review recht schnell gelesen und man müsste sich Tiktok zuwenden und das kann ja nun wirklich keiner wollen. Beschäftigen wir uns also mit der aktuellen Scheibe, die die Band im November letzten Jahres veröffentlicht hatte und deren Titel „Worse“ sich optimal in die Ein-Wort-Tradition einfügt.
Erste Durchläufe zeigen: Es geht ähnlich abwechslungsreich zu wie auf der letzten Veröffentlichung, man bleibt dem ehrwürdigen Mix aus Alternative/Indie Rock und Neo-Grunge treu und hat sich diesmal sogar mit MightyMacFluff einen Rapper bestellt – aber dazu gleich mehr. Zuerst muss ein großartiger Track wie „Hypernormal“ gefeiert werden, der nicht nur eine sehr unheilvolle Stimmung verbreitet, sondern auch mit einer gehörigen Portion Zorn die beste Gesangsperformance der Platte bietet. Für die Rezi schaue ich schon mal in die Kristallkugel und behaupte: Dieser Track wird ähnlich wie „Airplane“ zum Dauerbrenner werden.
Ähnlich verhält es sich dann mit „Laugh“, einem recht harsch gestarteten Alternative-Track, der souverän vom Sprechgesang in den Strophen dominiert wird, bevor im Refrain in bester Nu-Metal-Manier losgeshoutet wird. Die Aussprache erinnert sowieso schon ein bisschen an Korns Jonathan Davis – der Rap, den MightyMacFluff am Ende beisteuert, bildet dann den mellow Gegenpart zum hektisch-aufgeregten Rest. Niedliche Idee, den Part hätte man jetzt aber auch nicht unbedingt vermisst, wenn er gefehlt hätte.
„Star“ macht es sich eher im Midtempo gemütlich,zeigt aber einmal mehr auf, was für ein wunderbar wandelbarer Sänger hier mit Sven Int-Veen am Mikro steht – gerade auch der Kontrast zwischen dem aufgeräumten „Star“ und dem folgenden, mit EBM-Intro auf die Menschheit losgelassenen „Disgusting“ (wer denkt noch an And Ones „Steine sind Steine“?!), das seinem Namen textlich wie auch gesanglich von Beginn an alle Ehre macht, zeigt einmal mehr, wie wandelbar nicht nur der Sänger sondern die ganze Band agiert.
Liotta Seoul haben sich mit der aktuellen Scheibe „Worse“ keineswegs verschlechtert, sondern sich eher zur sicheren Hausnummer gemausert. Variabel bis zur Selbstaufgabe, kann man in so ziemlich jedem der acht vorliegenden Tracks Besonderheiten entdecken, die es einem schwer machen, nach einigen Durchläufen die Playlist zu stoppen. Tipp: Klingel und Phone abstellen, Jalousien schließen und Dauerrotation einstellen.