Ein Alptraum für so ziemlich jede Band: Fast das gesamte Line-Up schmeißt die Instrumente und verpisst sich auf Nimmerwiedersehen. So geschehen vor nicht allzu langer Zeit bei den Amis In This Moment. Einzige Überlebende der Katastrophe: Gitarrist Chris Howorth und Sängerin Maria Brink. Die beiden Herzstücke waren also noch vorhanden, wenn man so will – und begannen auch direkt mit dem Schreiben der neuen Scheibe „Blood“, die bei uns am 10. August via Century Media veröffentlicht wird.
„Blood“ markiert mittlerweile das vierte Full-Length-Album der Truppe, die mittlerweile wieder auf fünf Mitglieder angewachsen ist. Kennen dürften die meisten wohl vor allem das letzte Album „A Star-Crossed Wasteland“, bei dem Sängerin Maria nicht nur Geschrei-technisch zu Höchstleistungen auflief, sondern das mit „The Promise“, bei dem man von Otherwise-Sänger Adrian Patrick unterstützt wurde, auch noch einen der besten Songs der Bandgeschichte beinhaltete. Natürlich: Hübsch anzusehen ist die blonde Fronterin mit ihren kurzen Röckchen für die meisten Fans auch noch. Da stellt sich schnell die Frage nach dem Grund des Fan-Seins. Glücklicherweise verhält es sich hier aber ähnlich wie bei den Kollegen The Agonist oder Walls Of Jericho: Die Frau hat nicht nur ordentlich körperliche Vorzüge, sie kann auch noch singen. Und schreien, das nur ganz nebenbei.
Nach dem ersten, eher peripheren Durchgang von „Blood“ manifestiert sich ein erster Eindruck, der ordentlich Raum für Interpretationen lässt: Instrumental mutet die Band hier ein bisschen an wie Deftones, nur nicht ganz so sphärisch – gesanglich lässt sich Frau Brink irgendwie zwischen Lolita-Charme, Flyleaf und Guano Apes einordnen. Daraus lässt sich doch sicherlich was Interessantes machen, zumal gerade die Sängerin auf der neuen Scheibe wieder mal über ihr bisheriges Können hinauszuschießen scheint. Allerdings: Ein bisschen mehr Geflüster und ein bisschen mehr Gesang hätten der Scheibe schon ganz gut getan. Dieses Gehauche ins Mikro mag den männlichen Fans der Band gut gefallen und teilweise passt es auch wirklich zum Song, aber streckenweise wirkt das Ganze doch sehr gestellt. Ein absoluter Lückenfüller ist dann aber zum Glück nur das finale „11:11“ – den Song hätte man ohne Weiteres weglassen und stattdessen vielleicht eine schöne Akustikversion eines der härteren Stücke mit aufs Album packen können.
Im Vorfeld wurde übrigens bereits der Titelsong den geifernden Massen im Internet bereitgestellt – ein deftiger Track, der mir persönlich aber ein bisschen zu viel Elektronik abbekommen hat. Den Grundton des Albums trifft der Song aber ziemlich gut – „Blood“ geht viel angepisster zu Werke als noch „A Star-Crossed Wasteland“ und das steht der Band extrem gut. Allein schon ein Bombentrack wie „Comanche“ mit der Zeile „Come on, get up, let me hear your warcry“ dürfte live mindestens doppelt so heftig ankommen wie auf Platte – und selbst auf CD räumt der Song schon kräftig ab! Definitiv eines der Highlights der Scheibe, da gibt es kein Wenn und Aber.
Ähnlich geil, wenn auch ganz anders gelagert und mit einer fast rockigen Introgitarre kommt dann „Whore“ daher, wobei Maria Brink hier wie schon erwähnt zu Beginn sehr nach Sandra Nasic von Guano Apes klingt – ziemlich cool also, wie sich ihr gequälter Gesang langsam zu aggressivem Geschrei steigert und dann in der Bridge wieder zu einer fast mädchenhaften Stimme schrumpft. Mit dem folgenden „You’re Gonna Listen“ im Schlepptau haben In This Moment hier sogar einen richtigen Doppelkracher gelandet – der Track kommt aggressiver daher als sein Vorgänger, obwohl man hier zu Beginn noch mit gehauchten Texten in Sicherheit gewiegt wird. Die Gitarren im Hintergrund und die eingestreuten Drums zeigen aber schon, dass man hier gleich auf 180 gehen wird und tatsächlich – kaum jemand schreit so schön „Shut up“ ins Mikro wie die US-Blondine.
Mit „Burn“ zeigen die Herren an den Gitarren, dass sie auch vor bombastischeren Einlagen nicht halt machen – vor allem im Refrain wird hier instrumental alles aufgefahren, was die Band so in petto hat. Sehr fein, wenn hier auch mal etwas epischere Riffs zum Einsatz kommen – in Kombination mit den Vocals gibt das natürlich eine dicke Gänsehaut.
Fazit: Zuerst war man ja wieder mal etwas skeptisch ob der zu erwartenden Leistung der Amis, aber tatsächlich hat „Blood“ ein paar beneidenswert heftige Ausraster auf der Tracklist, die sich sehr gut im Backkatalog und auf jeder Live-Setlist der Amis machen werden. Einziger Wegskip-Song ist das oben erwähnte „11:11“, aber auch Tracks wie zum Beispiel „Adrenalize“ sind zwar gut, aber nicht wirklich herausragend. Mit 7,5 Punkten kann sich „Blood“ aber trotzdem sehen lassen, denn die Songs, die wirklich aus der Masse herausstechen, sind mit das Beste, was In This Moment bisher produziert haben.