Auf ihre alten Tage geben sich die Herren von Helloween noch mal richtig trotzig: Als ihr gottgegebenes Recht betrachten sie es laut Sänger Andi Deris und Gitarrist Michael Weikath, die Musik zu machen, die sie wollen, ohne auf irgendwelche Nörgler zu achten. Das sei ihnen natürlich auch gestattet, zumal gerade eine Band, die so lange im Geschäft ist wie die Hamburger Speed-Metal-Pioniere, sich stets mit Querulanten herumärgern muss. Die einen wollen, dass sie bei ihren Wurzeln bleiben, die anderen hätten es lieber, dass sie sich in eine andere Richtung entwickeln – ganz getreu dem Motto, egal wie du es machst, du machst es falsch.
So habe man für das nun schon fünfzehnte Studioalbum einfach frei von der Leber weg Songs geschrieben und sich auf der neuen Platte nach Herzenslust ausgelebt – nun ja, das ist eine Aussage, die so ziemlich jede Metalband tätigt, denn bekanntermaßen schielt nicht eine einzige Hartwurstcombo auf Gottes grüner Erde jemals auf die Charts oder kümmert sich um Erwartungshaltungen, sondern macht stets was sie will. Immer!
Dies soll es zum Thema Ironie aber dann auch gewesen sein, Helloween müssen schließlich tatsächlich niemandem mehr großartig etwas beweisen, und „My God-Given Right“ macht zumindest optisch sofort einen interessanten Eindruck. Die Farben des Covers sind lediglich in Blau- und Grautönen und in Weiß gehalten und der Titel im Zusammenhang mit dem im Schnee versunkenen Kopf der Freiheitsstatue könnte auch als Seitenhieb auf die USA betrachtet werden. Dies bliebe allerdings noch zu klären, von den Songs her ist keiner speziell amerikakritisch, auch nicht „Lost In America“, in dem es nur um eine persönlich erlebte Geschichte geht, in der die Band wegen eines nicht gestarteten Flugzeugs eine Zeit lang in den Vereinigten Staaten festsaß.
Musikalisch gesehen ist „My God-Given Right“ insgesamt leider weitaus weniger spannend geworden. Die Ankündigung, eine Mischung aus alten und modernen Helloween an den Mann bzw. die Frau zu bringen, ist jedenfalls schon mal wenig spektakulär, denn auch dies ist ein Vorhaben, das so ziemlich jede schon so lange existierende Metalband als Ziel ausgibt. Nichtsdestotrotz ist nicht zu leugnen, dass die Truppe so deutlich wie schon lange nicht mehr auf eingängige, hymnische Refrains setzt, wie eben in den Achtzigern.
Damals hatte man mit „I Want Out“, „Judas“, „I’m Alive“, „Eagle Fly Free“, „Dr. Stein“, „Future World“ und wie sie alle heißen, ein ganzes Arsenal an Hits, die auch heute noch immer wieder gerne auf Konzerten ausgepackt und mitgesungen werden. Ob man allerdings heutzutage diese Hitdichte erreichen kann, ist fraglich – mal abgesehen davon, dass es damals eine ganz andere Zeit war und heute niemand mehr auf die Idee kommen würde, einen Song wie „Dr. Stein“ zu komponieren. Außerdem mussten sich Helloween schon oft mit Vorwürfen herumschlagen, sich wenigstens mit den Speed-Metal-Nummern selbst zu kopieren, auch wenn diese natürlich ein wichtiges Trademark dieser Band sind.
Eine nicht ganz von der Hand zu weisende Anschuldigung, denn auch wenn die Refrains wieder eingängiger sind, ist mit Sicherheit nicht jeder Song ein Volltreffer. Der Opener „Heroes“, im Midtempo gehalten, lässt sich gut mitsummen, ist letztlich aber zu sehr Standardware, um wirklich vom Hocker zu hauen. Noch ärger verhält es sich mit dem anschließenden „Battle’s Won“, einer inklusive Doppel-Dudelgitarren schon tausendmal gehörten Speed-Nummer Marke Weiki. Sorry, aber: Langweilig und absolut überflüssig!
Besser macht es das Quintett beim Titelsong, der einfach mehr Langzeitwirkung hat und auch „Stay Crazy“, dessen Titel zunächst Helloween-Albernheiten der krassesten Sorte befürchten lässt, macht halbwegs Spaß, genauso wie das durchaus amüsante „If God Loves Rock’n’Roll“, die leicht epische Züge tragende Abschlussnummer „You, Still Of War“ und das mit über sechs Minuten komplexere „Creatures In Heaven“, trotz der bekannten Kindermelodien im Refrain. Es verlangt aber ja auch keiner, dass sie eben diese komplett verbannen, schließlich macht das den Charme dieser Formation aus. Nur: Wenn man mehr auf Hooklines setzt als die Jahre zuvor, muss das Material eben frisch und originell tönen und das schwankt auf dem Jubiläumsalbum der Kürbisköpfe (30 Jahre ist die Truppe nun bereits am Start) qualitativ doch nicht unerheblich.
„Living On The Edge“ (nein, sicherlich kein Aerosmith-Cover) beispielsweise ist so unfassbar belanglos, wohingegen diesmal sogar die Ballade „Like Everybody Else“ einigermaßen was hermacht, in jedem Fall ist sie dem grauenhaften „Hold Me In Your Arms“ von „Straight Out Of Hell“ klar vorzuziehen. Am besten ist die Band ohnehin, wenn sie sich in andere, namentlich düstere Gefilde bewegt: „The Swing Of A Fallen World“ markiert die mit geradezu erschreckend großem Abstand beste Nummer der Platte. Hier lässt „The Dark Ride“ ein bisschen grüßen, man hat ein paar überraschende Wechsel und trotzdem eine gewisse Eingängigkeit sowie einen erhaben-düsteren Vibe in petto. Mehr davon wäre äußerst wünschenswert gewesen, so jedoch schafft „My God-Given Right“ lediglich gerade noch so die sieben Punkte.