Großer Gott, ist es wirklich schon zehn Jahre her, dass ich in der Zeche Bochum das „20 Jahre Grave Digger“-Konzert besuchte, von dem ich zufälligerweise sogar gerade das T-Shirt trage?! Es scheint so, denn die Totengräber feiern 2010 schon ihr 30-jähriges Bestehen. Dazu erst mal einen herzlichen Glückwunsch! Gefeiert wird dieses Jubiläum mit einer ganz besonderen Veröffentlichung, denn Grave Digger kehren in die Highlands zurück. Das weckt natürlich Erinnerungen an ihr wohl bekanntestes Album „Tunes Of War“, welches 1996 erschien und dessen Überhit „Rebellion (The Clans Are Marching)“ wohl jeder Metaller noch nach einem Kasten Bier fehlerfrei mitsingen kann. Kann die indirekte Fortsetzung „The Clans Will Rise Again“ (inhaltlich geht es mehr um die Mythen des Landes und nicht um die tatsächliche Geschichte) ähnlich erfolgreich und beliebt werden?
Ich muss zugeben, dass ich die Band in den letzten Jahren etwas aus den Augen verloren habe, was an ihren zumeist durchschnittlichen Alben lag. „The Grave Digger“, „Rheingold“, „The Last Supper“ oder „Liberty Or Death“ bieten zwar allesamt die gewohnte Kost, aber so richtig umhauen konnte mich keines davon. „Ballads Of A Hangman“ zeigte die Band zwar wieder in stärkerer Form, aber mit „Excalibur“ liegt die letzte richtig starke Platte schon elf Jahre zurück. Von daher scheint es logisch, zum Jubiläum einen Bogen zu erfolgreicheren Zeiten zu spannen.
Nach einem Dudelsack-Intro (damit war zu rechnen) eröffnet mit „Paid In Blood“ ein typischer Stampfer Studioalbum Nummer 15. Bei Grave Digger entscheidet stets die Qualität des Chorus über den gesamten Song und „Paid In Blood“ geht zwar nicht als Highlight in die Bandgeschichte ein, aber dennoch schön direkt ins Ohr. Großen Anteil daran hat auch der neue Gitarrist Axel Ritt, der im Alleingang Thilo Hermann und Manni Schmidt ersetzt. Mit seinen Riffs treibt er Songs wie das straight nach vorne gehende „Hammer Of The Scots“ voran.
In einem Konzeptalbum über Schottland müssen Dudelsäcke natürlich eine Rolle spielen. Grave Digger setzen dieses Instrument aber nur an den richtigen Stellen ein, wie man beim melodischen Midtempo-Track „Highland Farewell“ hört. In eine ähnliche Kerbe haut auch „Coming Home“, das im Refrain sogar leicht melancholisch wirkt. Chris Boltendahl wird in diesem Leben zwar kein Bruce Dickinson mehr werden, aber sein kauzig-krächzender Gesang gehört einfach zu dieser Band. Damit trumpft er auch bei den anderen Highlights von „The Clans Will Rise Again“ auf, die da wären: „Valley Of Tears“ (Accept artiger Rocker mit tollem Solo von Axel Ritt), „Rebels“ (höchstwahrscheinlich DER nächste Hit auf den Konzerten) und „When Rain Turns To Blood“ (ungewöhnlich schwermütiger Abschluss des Albums).
Wirklich schwach ausgefallen ist eigentlich nur der Titeltrack, was schon etwas verwunderlich ist. Dazu gesellen sich noch einige gute Lieder, die soweit in Ordnung sind. Schließlich war auch auf der Vorlage nicht jeder Song ein „The Dark Of The Sun“ oder „Rebellion“. Dennoch hatte „Tunes Of War“ natürlich ein höheres Gesamtniveau als „The Clans Will Rise Again“, welches ein wenig was von Gamma Rays „Land Of The Free II“ hat. Gutes, bis sehr gutes Gesamtniveau, aber keine Lieder wie auf den unsterblichen Vorlagen, die Klassikerstatus genießen, beziehungsweise genießen werden. Einen neuen Meilenstein haben Grave Digger zum Jubiläum also nicht erschaffen, aber ein gutes Album ist ihnen dennoch geglückt. Neueinsteiger sollten sich zwar an „Tunes Of War“, „Excalibur“ oder „Heart Of Darkness“ halten, jedoch nochmal ein dickes Dankeschön an die Band. 30 Jahre ohne sich zu verbiegen (die „Digger“-Phase vergessen wir mal) durchzuhalten, verlangt Respekt. Auf die nächsten 30?!