Es gibt ja tausende Bands, die von sich behaupten, sich nicht so einfach in eine Schublade stecken zu lassen. Meistens ist die betreffende Schublade, wenn man sie denn suchen will, doch recht flott gefunden, irgendwie muss man die Bands ja schließlich vergleichen, um eine Empfehlung geben zu können. Fall Of Carthage sind mit ihrem neuen Album „The Longed-For Reckoning“ allerdings wirklich schlecht einzuschätzen. Klar, es ist Metal. Grundlegend ist das erstmal nicht falsch. Moderne Elemente treffen hier auf Thrash Metal, hier und da wird auch mal ein bisschen Todesmetall mit eingestreut – und dann gibt es da Songs, in denen gerappt wird. Gerappt! Da dürften 85 Prozent der Leser (optimistisch geschätzt) schon das Browserfenster schließen und sich mit Grausen abwenden.
Tatsache ist aber: Sänger Sascha macht das größtenteils gar nicht mal schlecht. Der Mann ist stimmlich erfreulich variabel, beim allerersten Höreindruck erinnert der Sound wegen der sehr modernen Elemente an eine wesentlich härtere Version von Sonic Syndicate, das verflüchtigt sich aber recht flott wieder. Beim genialen, schleppenden „They’re Alive“ erinnern Fall Of Carthage gar an Dry Kill Logic, zumindest zu Beginn klingt auch Saschas tiefer Klargesang stark nach dem US-Kollegen Cliff Rigano. Überhaupt kann man hier öfters Einsprengsel der End-Neunziger/Anfang-2000er-US-Metalbands erkennen – hört man bei „Swept To The Edge“ nicht ein bisschen Disturbed raus?
So gewinnt man nach und nach einen Eindruck des Sounds der Band, der sich tatsächlich als sehr vielschichtig entpuppt. Ein- oder zweimaliges Hören reicht da nicht aus, um all die unterschiedlichen Einflüsse zu protokollieren, muss man sich schon differenzierter mit den 16 (!) Tracks auseinander setzen. Auch sehr erfreulich im Zusammenhang mit der Tracklist: Fall Of Carthage haben keinen einzigen Track des 2015er Debütalbums „Behold“ neu verwurstet, eine Unart, die sich ja schon so manche Band angewöhnt hat.
Bei Stücken wie „Purile Scumbag“ oder dem sehr elektrisch ausgelegten „Whodini Peckawood“ fühlt man sich dann eher ein bisschen in die Hip-Hop-Szene der Neunziger versetzt, wobei vor allem ersterer Song gar nicht mal so schlecht geraten ist. In „Down Like Honey“ gehen wir sogar noch weiter in die Vergangenheit und werden kurz mal nostalgisch, wenn aus „Ghostbusters“ zitiert wird („Don’t cross the streams!“).
Was gerade in Songs wie „They’re Alive“ oder „Swept To The Edge“ so geil klingt, klappt bei „Paint It White“ schon nicht mehr ganz so gut; ein bisschen schief geraten die Vocals zum Teil, zwar nicht so, dass man sofort den Track wechseln will, aber irgendwie stört es doch das empfindsame Gehör. Nichtdestotrotz ist der Refrain mit dem gedoppelten Gesang trotzdem sehr gut gelungen, auch der Rest des Songs galoppiert flott voran. „Bury The Crisis“ deckt dann sogar mit Gangshouts und tightem Drumming noch den Hardcore-Bereich ab – somit kann man Fall Of Carthage nun wirklich guten Gewissens als „Crossover“ bezeichnen. Ob das Trio das so gut findet, steht in den Sternen – bei dem Soundgemisch müssen sie sich das aber gefallen lassen.
Tatsächlich dürfte hier für die Fans der meisten moderneren Metalstile was dabei sein, auch Fans der US-Alternative-Metal-Fraktion kommen auf ihre Kosten; wir haben es hier mit einer sehr wandelbaren Band zu tun, die sich vielleicht noch ein bisschen mehr fokussieren muss und nicht versuchen sollte, um jeden Preis in keine Schublade zu passen. Ansonsten gilt aber: „The Longed-For Reckoning“ hat einige interessante Tracks zu bieten und sollte auf jeden Fall mal probegehört werden.