Es ist doch unbestritten, dass gerade das Ruhrgebiet nicht nur als Schmelztiegel der Kulturen in aller Munde ist, und besonders im Hard’n’Heavy-Bereich lebt die Szene von unzähligen talentierten Bands, wozu auch Fairytale aus Recklinghausen gehören. Dass sie es nach dem Debüt „Book Of Fairytales“ aus dem Jahre 2006 nun endlich fünf Jahre später richtig ernst meinen, spürte man vor geraumer Zeit schon daran, dass für einige Pressevertreter und Freunde auch eine kleine Listening-Session im Studio geplant und auch durchgeführt wurde – hier hatten alle Beteiligten schon die Gelegenheit, bei Bier und Gulasch über das neue Werk „Rise Of The Twilight Lord“ fachzusimpeln.
Weiterer Beleg dafür, dass das Quintett mit „Rise Of The Twilight Lord“ keinen Schnellschuss vorlegen, sind die zahlreichen Live-Shows, wo schon viele Songs ihre Feuertaufen sowie den Feinschliff abbekommen haben. Dabei hat sich zumindest live „Witching Hour“ als kleine Hymnenperle entwickelt – mit ganz viel Running Wild galoppieren Fairytale durch die Noten und versprühen trotz Mucke mit Achtziger-Charme soviel Frische in die Neuzeit, dass Metalheads, die auf oben zitierte Running Wild, Iron Maiden oder auch Helloween stehen, an dieser Recklinghausener Band kaum vorbeihören können.
Jetzt könnte man meinen, dass auch Fairytale eine der gesichtslosen Massenbands sind, die irgendwo im Heavy Metal herumdümpeln und einfach ein paar teutonische Stampfer aufgenommen haben – aber weit gefehlt, denn sie verarbeiten durchaus geschickt ihre Einflüsse, schaffen es aber immer wieder, jenes klassisch-enge Metalkostüm zumindest aufzuknöpfen und ein Bündel an gut gelaunten, herzerfrischenden Songs zu bändigen. Schon mit dem ersten Blick auf den Opener „Mercenaries“ zeigen Fairytale, dass sie keine Lust auf Füll-Material haben, denn ohne Intro braten die Gitarren gleich frech los, schön stampfend ist das Ganze, nicht besonders innovativ, aber dennoch vorantreibend und mit einem Gespür für das richtige Melodienarrangement.
Halloween-eskes Riffing zu „Private Purgatory“, bei „Crystal Ball“ hat sich ein wenig die eiserne Jungfrau eingeschlichen, wobei gerade dieser Uptempo-Track auch live zu den Fanfavoriten gehört und bei dem halbballadesken, von absoluter Entspannung zum teutonischen Stampfer pendelnden „Dreams“ binden Fairytale gerne nochmals alle Einflüsse ein, schwingen galant vom Halloween-Riff hinüber in die Maiden-Maschine, aber auch hier beweist das Quintett ein feines Gespür dafür, sich inspiriert lassen zu haben und nicht billig abzukupfern – Gastsänger Andreas Grundmann sorgt darüber hinaus mit seiner Bruce-Stimme für noch ein wenig mehr Briten-Effekt.
Fairytale spielen Heavy Metal, da ist es doch kein Wunder, dass immer wieder die alten Klassiker hervorblitzen – ganz viel Maiden, Running Wild ist auch dabei, Helloween lag wohl ebenfalls das eine oder andere Mal auf dem Plattenteller und trotzdem: Das Recklinghausener Quintett legt nicht einfach eine billiges Plagiat mit Importcharakter vor, sondern arbeitet zielsicher die unverhohlenen Einflüsse zur eigenen Stärke aus, spielt das Gespür für Melodien wie z.B. bei „Witching Hour“ aus und sie haben mit dem Test zur Live-Tauglichkeit einen nicht unwichtigen Trumpf in der Hand. Die Ruhrpott-Jungs legen mit „Rise Of The Twilight Lord“ ein beeindruckendes Zeugnis davon ab, dass trotz im Stil gestalterischer Grenzen auch heute noch ein frisches Album über die volle Schlagdistanz möglich ist. Daher gilt gleich die Ansage an die Band, bitte nicht wieder fünf Jahre bis zum nächsten Longplayer zu verplempern. Bis dahin kann Sascha noch ein wenig an einigen sehr hohen Vokalparts feilen, die gelegentlich deutlich hörbar am Maximum seiner Stimmbänder anbimmeln. „Rise Of The Twilight Lord“ hat vom Produzenten Hardy Kölzer (The Claymore) genau den Sound verpasst bekommen, der die Investition von 10 Euronen plus Porto und Verpackung rechtfertigen – starke Leistung, die hier bestellt werden kann.