Auf die völlig falsche Fährte gerät man, wenn man sich über Distressed To Marrow via Metal Archives informieren will, zocken die Karlsruher doch danach Melodic Death Metal. Mehrere „mel“ s sind ja im Sound des süddeutschen Quintetts zu finden, aber eben eher Melodramatik oder Melancholie, von Letzterem gerne auch aus dem nördlichen Europa inspiriert.
Seit 2008 ist die Truppe nun schon aktiv und hatte schon 2010 mit „Cause Of Decline“ eine erste Demo am Start, 2011 veröffentlichten sie mit „Aeternitas“ erneut in Eigenregie eine 4-Track-EP. Ende 2013 folgte dann vorliegender Longplayer, der auch heute noch aktuell ist und ganz im Gegensatz zu so vielen anderen Bands mit ihren Full-Length-Debüts ausschließlich aus neuen Stücken besteht und sicherlich die Weiterentwicklung markiert, was hier leider nicht überprüfbar ist, sind mir die beiden Erstwerke doch komplett unbekannt.
Der gut ausdifferenzierte, transparente Sound aus den Reglern von Michael Hahn (Rosenquarz-Studios) offenbart dann eine Mischung aus Doom und Death Metal, häufig mit einer ordentlichen Portion Old-School-Tod behaftet und locker immer wieder Richtung Finnlands Amorphis oder den Briten Paradise Lost schielend. Einstellen muss man sich dabei auf sieben Songs in Überlänge, allerdings ist es auch ein wenig überraschend, dass sie mit wenigen Effekten ein eigentlich stimmiges Album abliefern.
Der Opener „Hellride“ fungiert da nicht nur gleich als Anspieltipp, sondern offenbart die komplette Gefühlspalette der Süddeutschen, pendeln sie hier doch zwischen schwerriffig schleppend doomigen Parts wie gleich zu Beginn hin zu derberem Geknüppel direkt nach der Sampleeinspielung, wobei man hier sicherlich den Eindruck gewinnen kann, dass der Übergang zu holprig daherkommt und ein eleganteres, flüssigeres Arrangement den Schwung zwischenzeitlich nicht komplett herausnehmen würde. Im Song selbst aber wirken die Tempiwechsel dann deutlich ausgereifter und die allumfassenden melancholischen Momente werden immer wieder sehr schön durch die Leadgitarre transportiert.
Bei „Murder“ bekommt man das andere Gesicht von Distressed To Marrow zu sehen, denn hier legen die Fünf deutlich mehr Wert auf Geschwindigkeit und knüppeln auch schon mal strukturiert durch, allerdings fallen sie gerne wieder in die schwermütigen Doomphasen zurück und Frontmann Daniel arbeitet hier neben den sonst angebotenen Growls schon fast im Flüsterton. Schon in „Massive“ bauten sie vermehrt schnellere Passagen ein, „Disappear“ lebt von der eleganten, schon richtig treibenden Schlagzeugarbeit und dem starken Melancholie-Auswurf der Leadgitarre mit Hang zu epischen Momenten, wobei eben jene Gitarre die in „Revelations Of Insanity“ aufkeimende Sehsucht sehr gut zur Geltung bringt.
„Release To Insanity“ ist ganz sicher nicht der ganz große Wurf und reicht (noch) nicht an die Glanztaten aus dem Hause My Dying Bride, Amorphis oder auch Paradise Lost heran, allerdings haben Distressed To Marrow mit ihrem Debüt durchaus Appetit auf mehr geweckt. Sollten sie jetzt noch ihr aktuelles Drummer-Problem lösen (Schlagzeuger aus dem Raum Karlsruhe sollten sich mal bei der Band melden), dann dürften die versprochenen neuen Tracks nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Basis aber ist mit dem Debüt gelegt, sie müssen halt nur am Ball bleiben, was sicherlich die schwierigste Herausforderung sein dürfte.