Das lange angekündigte dritte Album von Demons And Wizards wurde schon vor Jahren avisiert, doch hat den beiden Protagonisten, Blind Guardian-Sänger Hansi Kürsch und Iced Earth-Chef Jon Schaffer, schlicht die Zeit gefehlt, um Songs zu komponieren und auszuarbeiten. Aber Fans kennen es ja sowieso gerade von Hansis Hauptband, dass selten Veröffentlichungstermine eingehalten werden und sich häufig nach hinten verschieben. Der Release der zweiten Platte „Touched By The Crimson King“ datiert aus dem Jahre 2005, da hatten beide Protagonisten noch lange Haare, inzwischen hat sich auch Jon Schaffer von seiner einst prächtigen Matte getrennt – da sieht man mal wieder, wie die Zeit vergeht.
Die beiden bisherigen Scheiben kamen bei Fans und Presse gut an, sicherlich herrscht da eine gewisse Erwartungshaltung, nach einem 15-Jahre-Abstand umso mehr – ähnlich wie kürzlich bei Psychotic Waltz. Worte der Marke „das Highlight unserer Karriere“, „ihr werdet es lieben“ und „wir sind gewachsen“ im Promoschreiben zum schlicht „III“ betitelten Drittwerk steigern die Neugier zusätzlich, wenngleich man derartige Statements von Musikern zu einem neuen Album im Prinzip gewohnt ist. Übertrieben oder schlicht die Wahrheit?
Das eröffnende, achtminütige „Diabolic“, das als erste Nummer vorab vorgestellt wurde, machte auf jeden Fall schon mal was her – behutsam mit einem cleanen Intro beginnend, mutiert es alsbald in einen galoppierenden, mit schnörkeligem, eingängigem Mainriff versehenen Kracher, der textlich einen Bogen zum „Demons And Wizards“-Opener „Heaven Denies“ schlägt. Die Kombination aus Jons messerscharfem, unverkennbarem Gitarrenspiel und Hansis bombastischen Vocals, der hier freilich aggressiver zu Werke geht als bei seiner Hauptband, verbandelt zu einer mystischen, fast sakralen Atmosphäre, hat nichts von ihrem Reiz verloren und bildet einen starken Albumauftakt.
Bei jenem Stück handelt es sich um einen von drei Longtracks, die so etwas wie die Eckpfeiler des Rundlings darstellen und von denen einer besser als der nächste ist. Der mittig platzierte Neunminüter „Timeless Spirit“ startet mit akustischen Gitarren, die an „Consequences“ von der „Something Wicked This Way Comes“-Platte denken lassen und sich später mit härteren Klängen abwechseln, und punktet insbesondere mit Hansis Gesang (der sowohl mit spitzen Schreien als auch pompösen Backing-Chören glänzt), grandiosen Hooklines und dem filigranen Leadgitarrenspiel von Gastmusiker Jim Morris. Jon Schaffers Kumpel dürfte wohl jedem Fan bereits von seiner Tätigkeit bei Iced Earth bekannt sein, sein Spiel ist fast ebenso signifikant wie das von Schaffer selbst.
Noch genialer wird es im abschließenden „Children Of Cain“. Und so abgenudelt dieser Terminus auch sein mag: Episch ist hier die einzig passende Bezeichnung. Welch eine fantastische Nummer! Die düstere Einleitung mit cleanen Gitarren suggeriert sogleich, dass hier etwas Großes heranrollt, die unglaublich hymnische Passage in der Mitte mit ihrer supereingängigen Gitarrenfanfare will den Schädel auch nach Wochen nicht verlassen und die ebenso ohrwurmigen und wunderschönen „The Battle Of Evermore“-Gedächtnismandolinen mit darüber schwebenden, eindringlichen Vocals markieren ein tolles Albumfinale.
Auch wenn „Timeless Spirit“ und „Children Of Cain“ zweifellos die absoluten Highlights darstellen und man vor allem letzteres durchaus als die vielleicht bisher beste Komposition des Duos überhaupt bezeichnen darf, soll der Rest hier nicht unter den Teppich gekehrt werden, denn unter den kürzeren Nummern verbirgt sich ebenfalls einiges an prima Material, das stilistisch verschiedene Genres streift. Da wird mal mit Schmackes nach vorne geprescht wie im bissigen „Wolves In Winter“ oder dem äußerst fetzigen „New Dawn“, dann wieder auf die hymnische Schiene inklusive Breitwand-Refrains gesetzt („Invincible“, „Universal Truth“).
Als einer der interessantesten Songs offenbart sich „Split“, mit dem Demons And Wizards in die progressive Ecke schielen; vornehmlich knüppelhart, teils gar thrashig angehaucht, überzeugt dieser wendungsreiche Track mit musikalisch stark gemachten, stets schlüssigen Tempo- und Tonartwechseln und einer leicht frickeligen Doppelleadgitarrenpassage. Mit „Midas Disease“ hat man des Weiteren einen hardrockigen Stampfer im Köcher, den Jon Schaffer laut eigenen Worten als Tribut an den verstorbenen AC/DC-Gitarrist Malcolm Young verstanden wissen will – eine schöne Geste, dennoch wirkt das Stück zumindest auf Konserve ein wenig stumpf und standardmäßig, live wird aber auch hier der Chorus garantiert Powerfists hervorrufen.
Auch das doch sehr im Iced Earth-Stil gehaltene „Final Warning“ geht zunächst ein wenig unter und ist eher in die Kategorie „solider Durchschnitt“ einzuordnen, betrachtet man aber die komplette, immerhin 65minütige Platte und investiert vor allen Dingen ein wenig Geduld und lässt die Songs wachsen, gibt es wenig bis gar nichts zu meckern. Die Vorschusslorbeeren waren demnach nicht nur heiße Luft: „III“ ist klasse produziert und performt und zeigt eine Weiterentwicklung insofern, als dass das Werk definitiv opulenter, bombastischer sowie songschreiberisch facettenreicher als die Vorgänger ausgefallen ist – und allein wegen der fantastischen Epen „Timeless Spirit“ und speziell „Children Of Cain“ ist eine Bewertung im oberen Drittel eh unumgänglich. Ein wahrlich gelungenes Comeback von „Iced Guardian“ nach 15 Jahren!