Borknagar haben ja eine turbulente Bandgeschichte hinter sich. Diverse Besetzungswechsel warfen die Band immer wieder mehr oder weniger stark zurück. Trotzdem oder gerade deswegen hat sich die Gruppe konstant weiterentwickelt und Mastermind Øystein G. Brun hat nie aufgehört, weiter Musik zu komponieren.
Im Grunde geht es bei Borknagar um Black Metal. Allerdings wurde dieser so erweitert, dass viele von Avantgarde Black Metal sprechen. Ob diese Bezeichnung auch auf das neue Album „Urd“ passt, gilt es herauszufinden.
Eines lässt sich ganz klar sagen: Die Musik ist, wie zu erwarten war, wieder extrem vielseitig ausgefallen. Neben den (gar nicht so oft vorkommenden) klassischen Black-Metal-Elementen gibt es zahlreiche Ausschweifungen in andere (Sub-)Genres. Am deutlichsten sind diese im Bereich des Symphonic Metals zu finden. Viele Keyboardarrangements verleihen den Liedern vor allem im Midtempo und im langsamen Bereich eine größere Tiefenbreite und sorgen für das gewisse Sphärische an den Liedern.
Neben dem vielschichtigen Songwriting glänzen zwei Männer ganz besonders: Frontmann Andreas Hedlund, besser bekannt als Vintersorg und der schon frühere Fronter ICS Vortex verleihen der Musik mit ihren ganz besonderen Stimmen die nötige Atmosphäre. Die tragenden Gesangspassagen passen wunderbar zur Musik und die unterschiedlichen Elemente werden so immer wieder zusammengehalten. Den Höhepunkt der Leistung der Sänger stellt der Titel „The Winter Eclipse“ dar. Mit diesem Titel übertreffen sich die Fronter selbst, ein grandioses Stück skandinavischen Metals. Dabei glänzen beide Sänger auf ihre ganz eigene Weise: Aggressiv, bissig und in diesem Fall voll Black Metal.
Ein weiterer interessanter Punkt ist die filigrane Gitarrenarbeit, die Øystein und Jens abliefern. Mit vielerlei verschiedenen Sounds und sogar einem Wah-Wah-Solo beweisen die Klampfer, wie ausgiebig sie sich mit dem Songmaterial auseinandergesetzt haben. Keine Note und auch sonst nichts wurde dem Zufall überlassen. Diese genaue Arbeitsweise zahlt sich vielfach aus, und zwar dadurch, dass man die Scheibe immer und immer wieder hören kann und dabei ständig neue Ansichten gewinnt.
Mit zum Gesamtbild trägt natürlich auch der gelungene Sound bei. Der Bass und die Bassdrum legen einen fetten, aber nicht überzogenen Tiefenteppich aus, auf dem sich dann die mittenorientierten Gitarren und der Gesang austoben können. Eine saubere Trennung der Instrumente voneinander ermöglicht das volle Hörvergnügen. Die Platte klingt kühl, aber keineswegs steril. Sie ist auf eine freche Weise lebhaft und weckt die Neugier, außerdem kann sie wunderbar Bilder aus dem verschneiten Norwegen ins Hirn projizieren - was will das Metallerherz mehr?
Einige könnten jetzt sagen: Mehr Eingängigkeit. Da ist auch was dran. Man muss den Liedern Zeit geben, bis sie sich dem Hörer eröffnen. Die nicht offensichtlichen, aber sehr wichtigen Details liegen nicht obenauf, man muss schon etwas suchen. Wer sich diese Zeit nicht nimmt, der wird der Scheibe nicht sehr viel abgewinnen können.