Handgemachte Rockmusik ist wieder hoch im Kurs einer wachsenden Fangemeinde, wovon dann auch Axel Rudi Pell einmal mehr profitieren kann. Einen großen Pluspunkt auf der Habenseite können sie glatt damit verbuchen, dass sie für das Rockgenre generell schon unfassbar lange in einer konstanten Besetzung arbeiten können, was auf der einen Seite natürlich auch eingefahrene Strukturen nach sich ziehen oder aber auf einen harmonischen Kreativprozess hinweisen könnte.
Natürlich ist es ketzerisch, auch nur ein Wort gegen die Melodic-Ikone aus dem Pott aufzuzeigen, doch einmal die Fanbrille beiseite gelegt, wird doch auch so manches Mal wie bei der zuletzt veröffentlichten Balladen-Compilation klar, wie knapp der Wattenscheider an der Kitschkiste vorbeischrammt und manchmal auch mit einem Fuß in derselbigen steht. Mit „Circle Of The Oath“ liegt im Jahre 2012 auch schon das fünfzehnte Studioalbum vor, welches nach Veröffentlichung von den Fans auch zügig in die Charts gekauft wurde, und das nicht unverdient, haben doch Herr Pell und seine Mitstreiter Johnny Gioeli (voc), Volker Krawczak (b), Ferdy Doernberg (key) und Mike Terrana (dr) sich wieder einmal zusammengerissen und neben balladesken Ausflügen auch wieder ein paar heftig rockende Songs eingetütet.
Wer Pell kauft, hat definitiv den Axel Rudi drin, die Fans bekommen genau das vor den Latz geknallt, was sie wollen und wonach sie gieren, auch wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil wohl wegen dem recht heftigen Opener „Ghost in The Black“ verwundert die Augenbraue lupft, ein treibender Rocker mit fetziger Gitarrenarbeit, einem Gitarren-Keyboard-Duell und natürlich Johnnys unverkennbarer Rockstimme – genug Platz auch, um mit solistischen Dauereinlagen das Musikerego zu streicheln.
Natürlich müssen die Axel Rudi Pell-JüngerInnen nicht auf balladeskeres Material verzichten. Bei der Vermischung der akustischen Klampfe und Johnnys Vocals beim Titeltrack „Circle Of The Oath“ hat man zwar recht häufig auf die Bon Jovi-Notenblätter gelinst, doch im weiteren Verlauf baut sich dieser Song zu einem epischen Stampfer mit orientalischer Note auf, gibt natürlich wieder reichlich Spielraum für gefühlvolle Soli und ist das beste Beispiel für die hohe Balladenkunst 2012 – ganz sicher wird der Titelsong auch auf „Ballads V“ im Jahre 2017 landen. Volle Möhre auf Nummer sicher geht die Truppe mit dem Schmachtfetzen „Lived Our Lives Before“, einem Song, der natürlich auch viel Gelegenheit bietet, um die Klasse von Keyboarder Ferdy oder auch Axel herauszuarbeiten, der aber an sich völlig berechenbar ist und nun wirklich keine Überraschung darstellt – Feuerzeugalarm und schwofen statt rocken ist hier angesagt.
Deutlich aggressiver, aber natürlich noch immer hochmelodisch langen sie mit „Before I Die“ hin, bleiben im Midtempo, vergessen wiederholt die sehr gefühlvollen Gitarrensoli nicht und verpacken gekonnt das Ende vom harten Arbeitsleben auf die romantische Liebesfähre. Aber auch „Fortunes Of War“ rockt recht heftig durch die Boxen, Ferdy brilliert hier an seinem Tasteninstrument und das Mainriff krallt sich in den Lauschlappen fest. „World Of Confusion“ bietet zum Abschluss natürlich nochmals alles das, wofür Axel Rudi Pell denn auch stehen: großartige Emotionen in epische Noten gepackt und mit Johnny ein Ausnahmesänger, dem man einfach gern an den Lippen hängt, weil er noch immer genug Rock in seiner Kehle hat, solistische Ausflüge in einem harmonischen Gesamtkonzept einbindet und einfach nur ganz großes Kino bedeutet.
Die ganz großen Überraschungen bleiben auf „Circles Of The Oath“ aus, aber ehrlich: Will das irgendein Axel Rudi Pell-Fan? Wird diese Band nicht gerade dafür geliebt und verehrt, zeitlose Rocksongs immer wieder neu zu interpretieren, gerne auch mal tief in die Kiste für Schmuse- und Schmacht-Arrangements zu greifen? Eben. Nichts anderes bieten die Wuppertaler auf dem fünfzehnten Studioalbum, ecken weder mit heftigerem Stoff wie z.B. „Ghost In The Black“ noch mit dem balladesken „Circle Of The Oath“ an – auch das neue Album zeugt einmal mehr davon, dass sich gute Handwerkskunst auszahlt, sich eine Konstante in bare Münze wandeln lässt und treibende Rocksongs wie „Run With The Wind“ auch heute noch als Singles überzeugen können. Hut ab also für den Meister Axel und seine Nebenleute, die geschickt dem Einheits-Tralala ausweichen und ein richtig gut rockendes Album vorlegen.