Und weiter geht es mit Avantasia. Auf die Geschichte und die Entstehung des Doppelschlages „Angel Of Babylon“ und „The Wicked Symphony“ bin ich bereits im letzten Review eingegangen. Werfen wir also einen genaueren Blick auf „Angel Of Babylon“.
Ganz kurz gesagt könnte man dieses Album als perfekten Zwilling von „The Wicked Symphony“ beschreiben. Beide Alben beginnen mit einem sehr langen Track und unterscheiden sich auch vom Stil her nicht. Es wäre aber zugegebenermaßen nicht sehr informativ, wenn man ein so kurzes Review verfassen würde. „Stargazers“ ist der erwähnte lange Beginn und zeugt erneut von dem großen Talent des Tobias Sammet. Abermals sticht Jorn Lande als exzellenter Sänger heraus, womit er aber nicht alleine steht. Russell Allen (Symphony X), Michael Kiske, Oliver Hartmann und natürlich Tobi selbst sind ebenso daran beteiligt, dass „Stargazers“ jeden Melodic Metal-Fan vor Freude im Kreis hüpfen lassen sollte. Das Lied ist im Übrigen keine Coverversion des großartigen Stückes von Rainbow, welches auf dem noch viel großartigeren Album „Rising“ zu finden ist.
Wie gesagt, als Avantasia-Fan kann man sich ausrechnen, was „Angel Of Babylon“ zu bieten hat. Bestes Ohrwurmfutter im Stile des Titeltracks ist hier sogar noch häufiger anzutreffen als auf „The Wicked Symphony“. Ich halte mich nicht weiter damit auf, die Sänger Kiske, Hartmann, Lande und Sammet zu loben, denn die gehören ja schon zum Grundausrüstung. Mehr als einmal ertappt man sich bei dem Gedanken, dass Tobi Edguy doch gleich zum Nebenprojekt degradieren könnte. Andererseits würde das den Avantasia-Alben auch ein Stück ihrer Besonderheit nehmen und Hookline-Granaten wie „Angel Of Babylon“ wären wohl nur noch Mangelware.
Solche Dinger schüttelt sich Sammet anno 2010 anscheinend haufenweise aus dem Ärmel. „Your Love Is Evil“ ist auf seine angenehme Art und Weise ziemlich „cheesy“, „Rat Race“ wirkt recht unspektakulär, bietet aber einige nette Soundspielereien und „Alone I Remember“ ist AOR in Reinkultur. Deutlich gewöhnungsbedürftiger finde ich aber „Symphony Of Life“, bei dem die bereits von „The Scarecrow“ bekannte Cloudy Yang ans Mikrofon darf. Und obwohl ich den Song mit Tim “Ripper“ Owens so gescholten habe, ist dieses Lied hier der große Fremdkörper der neuen Alben. Nicht dass er grausam schlecht ist, aber er klingt deutlich mehr nach Within Temptation und ähnlich gelagerten Bands und fügt sich so überhaupt nicht in das Gesamtbild ein.
Eine klare Steigerung sind aber die Songs „Promised Land“, „Journey To Arcadia“ und „Death Is Just A Feeling“. Ersterer ist natürlich bereits von den „Lost In Space“-EPs bekannt, damals zeichnete aber Michael Kiske für den Gesang verantwortlich. Anno 2010 drückt Jorn Lande dem Lied seinen Stempel auf. Welche Version die bessere ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich persönlich bevorzuge die Version mit Michael Kiske, aber das ist wahrlich nur ein Luxusproblem.
„Journey To Arcadia“ ist ein erwartet pompöser Abschluss mit extrem vielen Sängern und wirklichem Rock-Musical-Feeling geworden. Viel mehr braucht man eigentlich nicht mehr zu schreiben, denn trotz seiner Klasse enthält „Angel Of Babylon“ einen noch besseren Song. „Death Is Just A Feeling“ ist ein leicht düsterer Midtempo-Stampfer mit einem Chorus, der mir seit Wochen nicht mehr aus dem Schädel geht. Wirklich genial wird das Stück aber durch seinen Gastsänger: Der „Mountain King“ Jon Oliva himself. Eine Stimme, die man überall heraushört und absolut einzigartig ist kombiniert mit Sammets Songwriting... ich verneige mich vor diesem Geniestreich. Da ist man Tobi fast böse, als er nach über drei Minuten auch mal mitsingen will.
Fazit: „Angel Of Babylon“ ist ein kleines bisschen stärker als sein Bruder „The Wicked Symphony“ ausgefallen. Essentiell sind jedoch beide Alben, da beide Veröffentlichungen grandiose Lieder enthalten, die in ihrem Bereich mit Sicherheit zum Besten zählen werden, was 2010 auf dem Markt gekommen ist.