Also bitte, lieber Paule, geht doch... du kannst ja doch noch singen, wenn man sich „The League Of Shadows“ anhört. Prima Rezept, einfach mal ein bisschen Pause über mehrere Wochen zu machen, dann funktioniert auch wieder die Stimme. Gut, die Maiden-Legende bestreitet ihren Lebensunterhalt durch die ganzen Liveperformances, doch leider musste man in den letzten Jahren durch einige mehr als fragwürdige Shows auch einen deutlichen Schwund in der Zuschauergunst feststellen. Eine Woche vorgezogen ist nun das Architects Of Chaoz-Debüt, welches irgendwie einen Neuanfang – allein schon durch die modernere Ausrichtung der Songs –, aber auch eine Art Rückbesinnung darstellt – die alten Maiden-Wurzeln sind nicht nur im Gesang, sondern auch in manchen Kompositionen zu finden.
Die neue alte Truppe versucht also nun, den Pfad durch das Dickicht aus Härte und Melodie zu finden und tut sich damit auch auch gar nicht mal so schwer. Zwar kommen immer wieder Paul DiAnnos punkige Wurzeln wie in „Horsemen“ zur Geltung, werden aber durch den deutlichen Maiden-Touch immer wieder abgefedert. Und wenn schon einmal mehr die eisernen Jungfrauen im Spiel sind, so könnte man bei der Powerballade „Switched Off (Released)“ durchaus einen Gedanken daran verschwenden, ob denn nicht bei den Aufnahme-Sessions als Arbeitstitel noch „Remember Tomorrow II“ an der Pinnwand hing – egal, gerade in den ruhigen Passagen kann Paul DiAnno auf der Punkteskala richtig gut abräumen und verführt mit Herzblut wie schon seit gefühlten drölf Millionen Jahren nicht mehr.
Fernab aller Maidentoleranzen – auch der klassische Metalstoff mit dem nun doch nicht auf den kurzen Titel reduzierten „Angel Of Death“ zählt dazu –, wissen sie aber auch mit dem durch orientalisches Flair angehauchten „Architects Of Chaoz“ zu überzeugen, vor allem, weil sie hier auf das klassische Schema Strophe/ Refrain verzichten und trotz des teilweise sperrigen Riffings und dem Verzicht auf die ganz große Melodie einen mitsingbaren Treffer gelandet haben. „Dead Eyes“ gehört zu den sehr emotionalen Nummern, was vor allem durch die Leadgitarre ausgezeichnet transportiert wird, „Erase The World“ kokettiert mit seinen Thrashanleihen durchaus mit Annihilator-Einflüssen und auch der starker Opener „Rejected“, wo schon früh der fette Drumsound imponiert (war da nicht auch ein Drummer für die Aufnahmen zuständig? - Anm. d. Red.), sorgt mit einem ersten Oha für Überraschung, denn Paule setzt neben seinem weiterhin recht rotzigen Gesang sogar zu ein paar Screams an, die man ihm schon seit Jahren nicht mehr zugetraut hätte.
Schon bei der Listening-Session im Studio entpuppte sich „Obsidian Black“ als eine der schwächeren Nummern, was sich nun leider auch auf dem Full-Length-Debüt bestätigt – vorhersehbar und durchschnittlich. Dazu darf man auch ruhig die als Bonustrack verwendete Coverdale/ Blackmore-Nummer „Soldier Of Fortune“ rechnen – für Balladenfreunde allemal interessant und auch emotional vorgetragen, doch der ganz große Tiefgang will sich einfach nicht einstellen.
Also Sand drüber über die in der Vergangenheit so häufig dürftigen Paul DiAnno-Shows, denn neben einer deutlich verbesserten Gesangsleistung kann sich der Kerl noch immer auf seine Phantomz-Backingband zu hundert Prozent verlassen, die zusammen mit ihm ein modernes, traditionelles, auf jeden Fall aber auch passendes „The League Of Shadows“-Korsett zusammengezimmert haben. Teil der Wiedergutmachung war ja schon die durchaus gelungene und irgendwie dann doch sympathische „Release-Show“ auf dem Rock Hard Festival 2015, der nächste Schritt ist nun die auch vorliegende gelungene neue Scheibe. Macht Spaß und ist bis auf einige wenige Abstriche durchweg zu empfehlen.