Watain
Feuer! Watain stehen tierisch auf Feuer. Sicher, bei Bands mit satanistischem Hintergrund ist das nicht unbedingt die neueste Erkenntnis, aber bei den Schweden spielt dieses Element schon eine besonders große Rolle. So sind auf dem Schlagzeugpodest neben einem Haufen Knochen jede Menge Kerzen platziert und sogar Fackeln flackern im von Weihrauch und Nebel getränkten Saal.
Endlich sind sowohl die Anzahl der Zuschauer als auch die Stimmung eines Headliners würdig, denn es haben sich jetzt deutlich mehr Menschen eingefunden, ausverkauft ist der Laden aber noch lange nicht. Ein Problem, sich von hinten nach vorne durchzuschlängeln, hat man jedenfalls nicht, dazu klaffen gerade im hinteren Teil immer noch zu viele Lücken.
Schade eigentlich, denn das, was Watain hier und heute präsentieren, ist nicht weniger als eine Machtdemonstration allererster Güte. Bei bestem Sound zeigen sich die Skandinavier in Topform und liefern einen absoluten Sahneauftritt ab. Das durchgängig schwindelerregend hohe Songwriting-Niveau, die handwerklichen Fähigkeiten, die lyrisch ansprechenden Texte und ein exzellenter Frontmann – all diese Attribute reißen Fans und Kritiker regelmäßig zu der Aussage hin, dass man etwas Besseres als Watain im melodischen Black Metal derzeit wohl nicht findet. Das hat nicht zuletzt auch die aktuelle Scheibe „The Wild Hunt“ bewiesen, die mit vier Songs vertreten ist (das „Night Vision“-Intro mal ausgeklammert). Eine mutige, sehr experimentierfreudige Platte, deren Songs bei den Leuten aber genauso gut ankommen wie die älteren Nummern – wenngleich die Watain-Zuhörerschaft ohnehin eher weniger aus supertruen, typischen Black Metallern besteht, die keine stilistischen Schlenker dulden, zumindest sieht man hier ein alters- und Genre-mäßig breitgefächertes Publikum.
Auf „They Rode On“, die überraschende Ballade in der Mitte von „The Wild Hunt“ verzichtet man aber doch, möglicherweise hätte dieser sehr ruhige Song aber auch wirklich nicht so recht in den Set hineingepasst. Dafür bilden mit dem schleppenden, dämonischen Titelstück und dem hypnotischen, rituellen „Outlaw“ (nach dem mittels Wah-Wah-Gitarrenorgie sehr geil in das nächste Stück übergeleitet wird) zwei weitere untypische Stücke zwei große Highlights des Konzerts. Eigentlich gibt es aber sowieso nur Highlights zu bestaunen: Ob die mitreißenden, treibenden „Malfeitor“ oder „Total Funeral“ vom 2010er Werk „Lawless Darkness“, die Wahnsinns-Hymne „Legions Of The Black Light“ (was für ein Hammersong!), das fett groovende „Satan’s Hunger“ oder „Sworn To The Dark“, wo die Fans dank Eriks tatkräftiger Animierung (der einzige Frontmann am heutigen Tag, der zumindest ein paar kleine Ansagen vollzieht) beim megaeingängigen Chorus endlich voll aus sich herausgehen – es reiht sich eine exquisite Komposition an die nächste. Dabei muss man sich noch dazu vor Augen führen, dass es unglaublich viele Großtaten gibt, die die Schwarzmetaller nicht zum Besten geben: „Wolves Curse“, „Waters Of Ain“, „The Child Must Die“ oder eben „They Rode On“, um nur einige zu nennen, sind nicht dabei, und dennoch liegt eine stimmige und sehr gute Auswahl vor, an der letztlich niemand meckern kann.
Wie ein Rausch kommt einem das Ganze vor und vorne ist, wie es sich gehört, nun endlich ein recht amtliches Meer an Pommesgabeln zu sehen und ein paar mehr sich in Ekstase bangende Leute. Man kann von der Show ja halten was man will, zum Beispiel wenn Erik vor der Performance von „Devil’s Blood“ einen Kelch hochhält und verkündet, darin sei „das Blut des Teufels“ oder wenn er nach dem letzten Song „The Serpent’s Chalice“ mit dem Rücken zum Publikum vor dem Kerzenschrein kniet, als wolle er sich beim Leibhaftigen selbst für einen gelungenen Gig bedanken, wenn er theatralisch alle Kerzen mit aufreizender Langsamkeit löscht – muss man nicht ernstnehmen, darf man albern finden, aber es passt gut ins Gesamtkonzept und als optische Untermalung der Musik. Wie bei The Devil's Blood hat das was von einem Ritual, was die Intensität und den Rauschcharakter der Show noch unterstützt, unabhängig von der grundsätzlichen Meinung und Haltung zu den transportierten Inhalten.
Keine zwei Meinungen kann es in jedem Fall darüber geben, dass Watain wohl schon jetzt eines der Konzerthighlights des Jahres abgeliefert haben – einfach nur beeindruckend! Auch nicht darüber, dass sich die Merchpreise in einem sehr fairen Rahmen bewegen: Die Shirts kosten zwischen zehn und 20 Euro, das ist für einen inzwischen wirklich populären Headliner mit sechs Studioalben im Rücken absolut vorbildlich!
Setlist:
Night Vision
De Profundis
Malfeitor
Satan’s Hunger
Puzzles Ov Flesh
Devil’s Blood
Sleepless Evil
Legions Of The Black Light
Total Funeral
The Wild Hunt
Outlaw
Sworn To The Dark
The Serpent’s Chalice
Ein Dankeschön geht an Ex-Kollegin Toni Gunner, die bei Degial und Venenum mit Fotos aushalf.