Musik muss sich jung halten, und der Beweis stand in der Zeche Bochum auf der Bühne. Da kann wohl die Wissenschaft noch so forschen, nur der Rock’n’Roll scheint in der Lage, der vorzeitigen Alterung entgegenzuwirken. So ist es wohl zu erklären, dass Uriah Heep ihren Geburtstag feiern, und zwar den Vierzigsten. Und mit der Band wollten auch viele andere in einer proppenvollen Zeche mitfeiern. Dabei war es egal, ob die Haare schon deutlich schütterer waren, egal, ob man in Jeans oder in Abendgarderobe kam, und ebenso egal, dass neben einigen wenigen jungen Leuten die Masse an Besuchern schon vor Jahren nicht mehr wirklich jung waren.
Ursprünglich war dem Tourplakat noch eine Vorband zu entnehmen, in der Zeche allerdings betraten nur Uriah Heep die Bühne. Murrte da noch einer rum und rief „Anfangen“ in die Runde, machten es sich die restlichen 799 gemütlich, labten sich an den gut gekühlten Getränken, deckten sich mit Shirts zum fairen Kurs von 20 Euronen ein oder begrüßten befreundete RockmusikliebhaberInnen. Das Kuscheln war sofort beendet, als die ersten Riffs ertönten, die Blicke wurden gespannt Richtung Bühne geworfen, gefesselt durch die unglaublich fit wirkende Truppe dort vorn. Uriah Heep touren ja nicht nur fleißig durch die Weltgeschichte, zwischendurch nehmen sie auch hochwertige Rocksongs auf und verbreiten sie via CD. Deswegen war es nicht verwunderlich, dass die Startphase durch neuere Songs geprägt war. „Wake The Sleeper“ erfüllte genau das, was der Titel verrät – ohne Umschweife waren die Fans zur Stelle. Headbangen war in der Zeche nicht angesagt, da hätten die Chiropraktiker rund um Bochum auch reichlich zu tun bekommen. Die Anhänger Uriah Heeps waren zumindest von der ersten Sekunde bei der Band, und entäuscht wurden sie nicht. Zwar war mit dem Track „Return To Fantasy“ ein kleiner positiver „Ausrutscher“ in die Vergangenheit gelungen, doch schon im Anschluss und im weiteren Verlauf wurden die beiden neuen Tracks „Only Human“ und „Corridors Of Madness“ vom aktuellen Best-of-Album „Celebration“ im wahrsten Sinne des Wortes zelebriert.
Egal aber auch, welcher Song vorgestellt wurde, Sänger Bernie Shaw war stimmlich in bester Verfassung. Ständig in Bewegung waren schon schnell starke Schweißränder auf seinem dunklen Shirt verewigt. Der Bewegungsdrang der anderen Mitstreiter war dem des Publikums angepasst. Nur selten verließ Basser Trevor Bolder seine Rechtsaußenposition, und Gitarrist Mick Box, der durch exzellente Soli auffiel, war durch ein zu kurzes Gitarrenkabel schon fast an seinen Monitor fixiert. Phil Lanjon war eh durch die beiden Tastaturen seiner Keyboards nicht in der Lage die Position zu wechseln, zumal er ja auch einen nicht unwesentlichen Anteil an den Backvocals hatte. Lediglich Schlagwerker Russell Gilbrook fiel durch aggressives, dabei aber präzises Drumming ein wenig aus dem Rahmen. Immer wieder lüftete er seine vier Buchstaben, um mit richtig Schmackes auf die Becken einzudreschen.
Fronter Bernie glänzte bei seinen Ansagen mit reichlich Deutschkenntnissen, und willig wurden die Anweisungen durch die Fans erfüllt. Nur einmal schien Bernie nicht ganz zufrieden zu sein, denn er gab zum Amusement aller zu verstehen, dass er in drei Minuten und achtzehn Sekunden nochmals einen Versuch starten werde. Je länger Uriah Heep auf der Bühne agierten, desto älter wurden die Songs, und es wurde mehr als deutlich, dass die Menge gerade nach diesen alten Gassenhauern dürstete.
Und so wurden begeistert Tracks wie „Rain“ über „Sunrise“ bis (natürlich) „Gypsy“ mitgesungen, miterlebt und mitgefühlt. Mit „Angels Walk With You“ gab es einen letztmaligen Ausflug in die Neuzeit, bevor mit einer wunderschönen Version von „July Morning“ (durch Mick mit fingerfertiger Vogelimitatskunst untermalt) sowie dem schönen Abgehrocker „Easy Livin’“ das reguläre Set beendet wurde. So war es kaum verwunderlich, dass die Anwesenden damit nicht so einverstanden waren, und nach nur einer kurzen Pause wurden Uriah Heep auf die Bühne zurückapplaudiert. Es kam, was noch fehlte und folglich kommen musste: „Lady In Black“. Mit dieser Form gehören Uriah Heep noch lange auf die Bühne, und auch die Zuschauer haben bewiesen, dass man im gesetzten Alter noch richtig gut rocken kann.
Als Bonus auf der Tournee hatten die Fans die Möglichkeit, für happige 20 Euro ein offizielles Live-Bootleg der Show mitzunehmen. Zum Signieren ließen sich die Herrschaften dann leider nicht mehr blicken – ein kleiner Wermutstropfen für einen ansonsten sehr unterhaltsamen Abend.
Setlist:
1. Wake The Sleeper
2. Return To Fantasy
3. Only Human
4. Book Of Lies
5. Bird Of Prey
6. Corridors Of Madness
7. Love In Silence
8. Rain
9. The Wizard
10. Free Me
11. Sunrise
12. Free’N’Easy
13. Gypsy
14. Angels Walk With You
15. July Morning
16. Easy Livin’
17. Lady In Black