Nebel durchzieht den Saal, Klänge, die immer irgendwie den Grat zum Indie-Rock streifen, taumeln umher und eine Masse von Leuten wogt, pogt und singt vor allem jeden Ton mit: Herzlich Willkommen im Turbostaat-Universum. Ja, die fünf Herren aus dem Norden sind auf Tour – oder besser gesagt, gar auf einer Doppel-Tour. Zum einen stellt man das neue und zugleich erste Live-Album der Band vor und zum anderen gibt es das 20-jährige Bandjubiläum zu feiern. Dies bedeutet so viel, dass die Flensburger in einigen Städten doppelt anheuern, so auch in Dresden, wo es ein „Nachtbrot“-Konzert im Beatpol und tags zuvor ein 20-Jahre-Konzert im AZ Conni zu erleben gibt.
Ausverkauft sind beide Auftritte, glücklicherweise scheint man sich im Beatpol auf ein gewisses Kontingent geeinigt zu haben, sodass man nicht die Sardine in der Dose spielen muss und etwas Bewegungsfreiheit genießen kann.
Manifesto Jukebox
Doch bevor das Nachtbrot zum Verzehr freigegeben wird, darf man erstmal am Support Manifesto Jukebox knabbern oder sich eben die Zähne ausbeißen. So leid einem auch diese Zeilen tuen, aber klangtechnisch ist es wirklich absolute Grütze. Ja, Musik sollte man laut hören, und tatsächlich ist es auch zu erahnen, dass man die Finnen gerne mal auf Anschlag drehen würde, allerdings gibt es eben eine Schmerzgrenze und die wird gerade erreicht. Gerade im Seitenbereich des Clubs artet der Auftritt in scheppernden Krach aus, der dem Vierer wohl nichts ansatzweise gerecht wird. Texte verstehen? Fehlanzeige! Damit bleibt das Erkennen der Songs wohl auch nur Insidern vergönnt, was insofern schwer sein könnte, da die Band sich eigentlich schon vor zehn Jahren aufgelöst hat, wenngleich man hier und da sich noch zu einem Auftritt überreden zu lassen scheint.
Von ihrer Pause ist allerdings nicht viel zu spüren, die Finnen bieten eine Performance, die sich echt gewaschen hat und in puncto Energie keine Wünsche offen lässt. Hinzu kommt ein treibender Punk-Rock, dessen Betonung mehr in Richtung Rock tendiert, und durchaus in die Knochen zu gehen vermag. Dies wird immerhin auch von den Anwesenden mit Applaus und genüsslichen Kopfnicken bedacht, viel mehr ist wohl an diesem Abend leider nicht drin. Die eh schon spärlich gesäten Ansagen verschwinden zumeist im Nirwana, trotzdem herrscht durchaus recht gute Stimmung im Klub. Und keine Ahnung, ob man tatsächlich den Pegel etwas nach unten gedreht hat oder man den Finger am Ohr endlich in die richtige Stellung gebracht hat, schließlich kann man mit „Desire“ wirklich noch einen Titel erkennen und gar noch abfeiern. Feines Stück, was mit ordentlich Drive vorgetragen wird und zugleich mit den vergangenen Minuten versöhnt. Leider ist dies aber eben auch das letzte Stück von Manifesto Jukebox, aber bei der vorgelegten Spielfreude darf man die berechtigte Hoffnung haben, dass der Vierer doch ausreichend Bock hat, um noch das eine oder andere Konzert abzuliefern. Zumindest mag man an dieser Stelle darauf hoffen, denn wenn man mal den Klang abzieht, war es tatsächlich recht geil.
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Turbostaat
Über den Sound wurde nun hinlänglich gemeckert, aber natürlich schwadroniert kurz vor dem Start von Turbostaat die Angst vor einem ähnlichen Klanggebilde durch den Raum, was in Anbetracht der in den letzten Jahren gestiegenen Virtuosität der Band wirklich nicht zuträglich wäre. „Ruperts Grün“ steht somit nicht nur als Opener, sondern auch als Gradmesser auf das Folgende bereit, den aufkommenden Angstschweiß kann man sich nun locker von der Stirn wischen – es passt alles.
Und irgendwie passen auch Turbostaat ausgesprochen gut hierher. Location, Zuschauer und Band, alles scheint schon in wenigen Minuten komplett miteinander zu verschmelzen. Die Flensburger spielen ein Set, was zu großen Zügen schon von ihrer Live-Platte bekannt ist und man damit scheinbar vorausschauend abfeiern kann. Stimmungstechnisch ist schon nach wenigen Minuten keine Luft mehr nach oben und auch die Luft wird von Titel zu Titel knapper. Schweißgebadete Menschen treiben vor sich hin und verwandeln den Beatpol immer mehr zur Sauna.
Der Fünfer konzentriert sich hingegen auf das was er am besten kann - und dies ist eben Musikmachen. Ein kurzes „Hallo“ zum Beginn muss reichen, langt letztendlich auch, denn mit „Haubentaucherwelpen“ oder „Fraukes Ende“ stehen Titel bereit, die komplett abgefeiert werden. Das grandiose „Abalonia“ zwingt etwas zur Ruhe, zu „Wolter“ darf die Textsicherheit getestet werden, um schließlich mit „Sohnemann Heinz“ wieder in den nächsten Pogo-Reigen einzutauchen. Und genau diese drei Punkte machen wohl den Abend auch, diese Mischung aus wogender Glückseligkeit, Mitgrölen und dem totalen Durchdrehen.
Frontmann Jan verrät dann immerhin noch, dass Turbostaat bereits zum fünfzehnten Mal in Dresden spielen und hier einige Freunde gefunden hätten. Eigentlich sei es eh dies, weswegen man Musik mache, es gehe eben auch um Freundschaft und genau deswegen hat man Manifesto Jukebox mit auf Tour nehmen wollen. Bevor hier nun aber jemand zu sentimental wird, gibt es mit „Insel“ den nächsten Angriff auf Stimmbänder, Ellenbogen und eben auch auf den Putz des Klubs. Da sind Bassist Tobert glattweg die kaputten Verstärker egal, aber um den Laden macht er sich nun ernsthaft Sorgen. Sollte man auch, schließlich stehen hier mit „Vormann Leiss“ oder dem abschließenden „Schwan“ noch ein paar Kracher auf dem Programm, die weiter Farbe von der Decke rieseln lassen.
Damit entlässt man die Nordlichter allerdings noch nicht aus Dresden, natürlich wird eine Zugabe gefordert und diese kommt in doppelter Form. Zweimal zwei Lieder stehen noch zum Endspurt bereit. Mit „Frieda und die Bomben“ findet der Abend schließlich seinen ekstatischen Abschluss, jetzt heißt es nur noch: Ordentlich durchkehren und Klamotten trocknen lassen.
Setlist:
Ruperts Grün
Haubentaucherwelpen
Tut es doch weh
Ja, roducheln!!!
Abalonia
Fraukes Ende
Ufos im Moor
Wolter
Pennen bei Glufke
18:09 Uhr. Mist, verlaufen
Sohnemann Heinz
Eisenmann
Insel
Alles bleibt konfus
Kriechkotze
Drei Ecken - ein Elvers
Harm Rochel
Vormann Leiss
Schwan
Der Frosch hat's versaut
Bei Fugbaums
Nach fest kommt ab
Frieda und die Bomben (Fu Manchu Cover)