Auch mit ihrem zwölften Studioalbum „Dividing Lines“ hat die englische Prog-Metal-Großmacht Threshold wieder einen absoluten Volltreffer gelandet, der einmal mehr das feine Gespür der Insulaner für die perfekte Symbiose aus technisch hochwertigem Prog und ohrwurmtauglicher Eingängigkeit aufzeigt. Die Band absolviert im Prinzip nach jedem neuen Album eine ausgiebige Europatour und so soll es natürlich erst recht geschehen, wo inzwischen seit einigen Monaten endlich wieder Konzerte ohne Auflagen gegeben werden können. Dass die Hamburger Markthalle, die diesmal gar als Tourauftakt fungiert, eine der Lieblingslocations des Quintetts darstellt, ist kein Geheimnis, wie allein die zahlreichen Berichte im The-Pit.de-Konzertbericht-Archiv beweisen und Keyboarder Richard West 2017 in einem Interview mit uns bestätigte. Erneut hat man zwei Vorbands im Gepäck, von denen
Oddland
als erstes auf den Plan treten. Der Vierer aus Finnland spielt eine recht moderne, melancholische Art des Prog mit harschen, heruntergestimmten Gitarren, zu dem sich Post-Metal-Elemente und, wie sich später herausstellt, viele arabisch-orientalisch anmutende Versatzstücke gesellen. Immerhin drei Alben hat die Truppe bereits veröffentlicht, das letzte vor gut einem Jahr in Form von „Vermilion“ (Zinnoberrot), auf dem besonders das Titelstück hervorzuheben ist, das eine fünfteilige Suite von etwa 25 Minuten Länge bildet, von der auch am heutigen Abend einige Parts zum Besten gegeben werden.
Besonders vielen dürfte die Band trotz dreier Alben jedoch noch nicht bekannt sein (einschließlich des Verfassers dieser Zeilen) – noch ist es jedenfalls nicht sonderlich voll und die Reaktionen sind anfangs noch recht verhalten. Auch ist der Sound bei weitem nicht optimal, als die Finnen ein paar Minuten vor dem regulär angesetzten Konzertbeginn starten – das Schlagzeug knüppelt die zunächst ein wenig breiigen Klampfen in übertriebener Lautstärke nieder, auch der Gesang ist viel zu leise und undeutlich.
Im Laufe des Auftritts bessert sich die Situation und auch das Publikum taut merklich auf. Was sicherlich auch mit darin begründet liegt, dass Oddland ihre interessantesten Songs erst ab der Mitte des Sets auspacken: Als Gitarrist Jussi Poikonen bei „Vermilion Part 4: Feed The Void“ mit noch umgeschnallter Axt plötzlich zu einem Sopransaxophon greift, ist man doch ebenso überrascht wie entzückt. Ein schöner Farbtupfer, der dem Ganzen mehr Eigenständigkeit und Tiefe verleiht und auch im weiteren Verlauf wird der Kollege sich noch ein paar Mal dieses Instruments bedienen. Die nicht wenigen Keyboardsequenzen kommen allerdings samt und sonders vom Band.
Hörte sich am Anfang alles noch ein bisschen standardmäßig an – gefällig, aber nicht unbedingt vom Hocker reißend –, wird nun mit mehrstimmigem, ätherischem Wechselgesang und raffiniert eingebauten orientalischen Passagen gearbeitet, es werden von Poikonen und Sänger/Gitarrist Sakari Ojanen getappte Harmoniesoli dargeboten, sodass man geneigt ist, sich später auf jeden Fall näher mit dieser Formation zu beschäftigen. Dies scheint das Gros der anwesenden Zuhörerschaft so zu sehen, denn am Ende dürfen sich Oddland dann doch eines ordentlichen Applauses erfreuen, den sie sichtlich genießen und mit dem man zu Beginn des Konzerts sicherlich nicht gerechnet hat.