Opeth
Der letzte Headliner des diesjährigen Rock Hard Festivals, ein letztes Mal auch die Diskussion, ob denn Opeths Qualitäten auch tatsächlich diesen Platz füllen können – was unterm Strich mit einem klaren „vielleicht, eventuell“ beantwortet werden muss, denn auch hier wird deutlich: Die Fans feiern in tiefster Verzückung, viele aber klemmen sich die Schweden gleich ganz und glänzen durch Abwesenheit – womit dann auch endgültig feststeht, dass „Coverbands“ wie Ross The Boss und Dirkschneider als die großen Festivalgewinner hervorgehen.
Erschwerend kommt für den Opeth-Unbedarften ja auch hinzu, dass die Stockholmer mit „Sorceress“ einen sehr sperrigen Einstand hinlegen und sich durch die Takte proggen, womit natürlich erst einmal die Death-Metal-Einflüsse außen vor bleiben. Dazu muss man sich auch zunächst mit dem Humor von Frontmann Mikael Åkerfeldt arrangieren, der eben nicht jeden auf seinem Humorniveau abholt und ein paar verbale Spitzen austeilt. Dritter Grund dürften die teilweise ebenso wenig eingängigen, dazu aber auch episch langen Tracks wie „Ghost Of Perdition“ sein, welche auch unter Live-Bedingungen locker die Zehn-Minuten-Marke knacken und ganz sicher kein Easy-listening-Vergnügen versprechen – und das nach den doch sehr eingängigen Gassenhauern aus der Accept-Feder.
Das alles zusammen lässt nach einem gelungen Wochenende, wo viele sich schon längst mit der Trauer der Abschiedsbewältigung beschäftigen, natürlich nicht gerade die große Euphorie aufkommen. Und dennoch verstecken sich ein paar richtig schöne Highlights innerhalb der gut 85 Minuten Unterhaltung. Entspannt, wie Mikael auf Kommunikationskurs einschwenkt, mal eben ein „wie geht's“ einwirft, als ob er eben etwas plaudern wolle, nur um dann seine Deutschkenntnisse mit einem „mein Hund ist dunkelblau“ nachzuweisen (den Satz hat er jetzt aber schon auf mehreren Konzerten gebracht, irgendwann ist auch mal gut – DN). „Seid ihr wach? Wir ja, danke für die Nachfrage“.
Nun ja, dass er jetzt nicht gerade weiß, wo er ist außer in Deutschland, das muss man ihm nicht so abnehmen, auch seine Dirkschneider-Lobeshymne der Marke „wir fühlten uns wie kleine Kinder“ kann einen humorigen Touch nicht verbergen, er verwurstelt da ganz gerne, dass es nicht leicht ist, nach „Balls To The Wall“ aufzutreten – ein Feingeist, der schon sehr amüsant eine Umgebung analysiert, wie etwas später deutlich wird, als er erzählt, dass er erst zu Fates Warning kam, gerne aber schon auch Demon und Ross The Boss gesehen hätte. „Blues Pills habe ich nicht gesehen“, so seine Reaktion auf einen Fan-Zwischenruf und ergänzt, dass er die Truppe schon mal woanders gesehen habe und er sich dabei dachte, dass sie doch recht gut seien.
Viel schöner ist dagegen der Seitenhieb auf alle Fakebands, die viel vom Band laufen lassen, „dann doch lieber schlechter klingen“, so seine Ansage, die Wasser auf die Mühlen für alle echten Musikliebhaber sein dürfte – nur der Applaus hätte da durchaus enthusiastischer sein dürfen. „Knallhart“ dann auch die Analyse für das ’98er Scheibchen „My Arms, Your Hearse“, welches schließlich auf Platz eins der Charts landete – in einem Fanzine mit einer Auflage von 50 Kopien. Über mangelnden Erfolg muss er sich aber gar nicht mehr aufregen.
Vorhin deuteten Opeth noch ein King Diamond-Riff an, Bloodbath-Songs werden hingegen ausgeblendet, dafür gibt es eine rotzig improvisierte Version von „You Suffer“ von Napalm Death, welche sie wegen der anhaltenden Begeisterung sogar ein zweites Mal wiederholen, nur um dann nachzufragen, welche Version die bessere gewesen sei. „Die Lyrics mag ich, die sind so auf den Punkt“, belehrt Mikael, dafür brauche man nicht immer Bob Dylan. Und dabei muss er sogar selbst schmunzeln – das schwedische Eis schmilzt.
Der bittere Nachgeschmack aber bleibt... denn bei solchen langen, durchaus witzig gemeinten Ansagen wie dem Amon Düül-Krautrock-Kommentar geht eben immer wieder auch viel Schwung verloren, zumal man dabei wissen sollte, dass mit „Devil’s Orchard“ da noch ein Song auf der Setlist steht, der bereits im Vorfeld gestrichen wurde – weniger schnacken kann doch auch unterhaltsam sein, Herr Åkerfeld. Dagegen fällt auf, dass elegische Melodien und harte Growlphasen wie in „Heir Apparent“ auch sehr gut abgestimmt sind; da wird einerseits zum Träumen eingeladen, andererseits sind da auch headbangkompatible Parts – zumindest heute Abend sorgt das Stück für den vielleicht besten Applaus.
„Ein paar Songs spielen wir noch, auch wenn wir nicht wollten, so müssen wir, weil wir einen Vertrag haben“, so Mikael mit sanfter Kodderschnauze. Lustig, aber eben auch ein bisschen zu lang ist dann die Erklärung zum Videodreh für den „Cock-Rock-Song“ „Era“. Dann doch lieber spontane Reaktionen auf die „ten more songs“-Rufe der Fans, die Mikael geschickt mit einem „wir haben zwar noch zehn Songs, aber eben nicht geprobt“ auskontert und mit „Deliverance“ ein mehr als 13 Minuten langes Epos ankündigt, welches dann auch den unterhaltsamen Abend beendet, ohne aber die strittige Diskussion um die Headlinerposition befriedet zu haben. Sei’s drum, auch dieses Jahr war mehr Licht als Schatten, über letzterem muss man halt auch mal springen.
Setlist:
Intro: Through Pain To Heaven
Sorceress
Ghost Of Perdition
Demon Of The Fall
You Suffer (Napalm Death-Cover)
You Suffer
The Wilde Flowers
In My Time Of Need
Cusp Of Eternity
Heir Apparent
Era
Deliverance