Symphony X
Die Schnellsten sind die Jungs aus New Jersey nicht gerade, was das Veröffentlichen von Alben angeht – bei der letzten Scheibe „Paradise Lost“ wurde der Termin immer weiter hinausgezögert und mit dem neuen, sehnsüchtig erwarteten Album „Iconoclast“ (immerhin wurde inzwischen wenigstens der Titel bekanntgegeben) verhält es sich genauso, oder besser gesagt noch schlimmer, denn ursprünglich sollte das Teil mal im Sommer 2010 herauskommen – nun läuft es auf den Sommer 2011 hinaus. Ihren Perfektionismus in allen Ehren, aber damit setzt sich die Band ganz schön selbst unter Druck, denn die Erwartungshaltung wird somit nicht gerade gemindert.
Aber egal, Symphony X live zu sehen, ist eigentlich immer ein Grund zur Freude, ob mit neuem Album im Rücken oder nicht. Abgesehen von den unfassbaren technischen Fähigkeiten der Musiker, ist allein schon ein Frontmann wie Russell Allen, der eine Bühnenpräsenz besitzt, von der die meisten anderen (Prog-)Metal-Sänger nur träumen können (von der Wahnsinnsstimme wollen wir gar nicht erst reden), ein Garant für intensive Liveshows. Dieser Bär von einem Mann fegt wie ein Derwisch über die Bühne und haut mit ebenso beneidenswerter wie bemerkenswerter Leichtigkeit und Lockerheit auch hohe Schreie problemlos raus – die Coolness in Person.
Es sind zwar tatsächlich nicht mehr so viele Menschen anwesend wie bei Psychotic Waltz, aber die Stimmung ist trotzdem immer noch prächtig. Aber ganz ehrlich: Von Klassikern wie „Of Sins And Shadows“, das die Show eröffnet, „Inferno (Unleash The Fire)“ (dieses Mainriff – wie kann ein Normalsterblicher so was spielen?!) oder „Smoke And Mirrors“ kann man nicht genug kriegen und muss einfach die Rübe schütteln. Letztgenannte Nummer dürfte – obwohl das Quintett ohnehin ein Riesentalent besitzt, sich die Ohrwürmer nahezu aus dem Ärmel zu schütteln – wohl der Livesong der Band sein und der Chorus wird entsprechend, wie von Allen gefordert, mitgeschmettert. Als Randnotiz sei noch erwähnt, dass der Sänger bei diesem Stück beinahe in den Graben fällt, als er mit einem Fan in der ersten Reihe während der Performance abklatschen will.
Insgesamt allerdings liegt der Fokus eindeutig auf „Paradise Lost“ (fünf der zehn gespielten Songs stammen von jener Scheibe), und viele Fans hätten sich vielleicht noch ein bisschen mehr altes Material gewünscht, aber bei nur einer Stunde Spielzeit ist es mit so vielen Hits im Gepäck natürlich auch schwierig, es jedem recht zu machen.
Statt altem Zeug gibt’s also neues um die Ohren – teilweise sogar brandneues! Mit „End Of Innocence“ und „Dehumanized“ werden zwei Songs vom neuen Album zum Besten gegeben, die beim Publikum gut ankommen und auch beim Rezensenten einen guten ersten Eindruck hinterlassen – eine schöne Überraschung und ein kleines Trostpflaster für die ewige Warterei auf „Iconoclast“, von dem übrigens schon T-Shirts am Merchstand angeboten werden. Sehr positiv auch, dass Russell Allen vor „Paradise Lost“ auf die aktuelle Lage in Japan hinweist und mit Recht erklärt, wie glücklich wir uns schätzen können, hier sein zu dürfen und diese Katastrophe nicht am eigenen Leib spüren zu müssen. Der einzige Wermutstropfen an dem Auftritt der Amis ist, dass der Sound nicht immer optimal ist und vor allem das Keyboard viel zu leise tönt, aber alles in allem haben Symphony X einmal mehr bewiesen, dass sie eine klasse Liveband sind. Die Zuschauer sehen dies genauso und so erhören die Proggies die „Zugabe“-Rufe und hängen mit „Eve Of Seduction“ noch ein nicht auf der Setlist vermerktes Stück hinten dran.
Setlist:
Of Sins And Shadows
Domination
Serpent’s Kiss
End Of Innocence
Paradise Lost
Inferno (Unleash The Fire)
Smoke And Mirrors
Dehumanized
Set The World On Fire (The Lie Of Lies)
Eve Of Seduction