Was haben sie ihren Fans nicht alles angetan: Jahrelange Beschimpfungen, unangekündigte Sprünge ins Publikum (bei denen Stauchungen und Panikausbrüche in Kauf genommen wurden), das Auge blieb vor keinem modischen Fehltritt verschont, Instrumente schlug man kurz und klein und dann das Unfassbare: Die Boygroup Knorkator gab 2008 ihren Abschied bekannt. Damit begann für die Fans eine Zeit der nicht enden wollenden Tränenflut und die Band landete in einem selbst auferlegten Resozialisierungsprogramm.
Lesungen folgten und Buzz Dee konnte gar mit seiner neu gegründeten Band Buzz Dees’s den Titel „älteste Newcomer-Band“ abstauben. Nachdem 2010 das Experiment der Zwangszivilisierung für gescheitert erklärt wurde, folgte dieses Jahr die Reunion und seither eilt der meisten Band der Welt ein Wort voraus: Ausverkauft.
So auch heute Abend in Dresden, bei der die Reithalle schon seit Wochen ausverkauft ist. Hier stehen Metalheads, Rastafaris, Punks und allerlei anderes buntes Publikum dicht gedrängt nebeneinander und lechzen nach dem ultimativen Konzerterlebnis. Die letzten Sekunden bis zum Konzert werden eingezählt, hinter einer Leinwand taucht Stumpen im grünen Ganzkörperkondom und am Stock auf. Der Blick aufs Bein verrät dann auch: Heute wird wohl nichts mit springen! Denn eine Bandage am Knie verhinderte die extremsten Aktivitäten.
Mit „Der ultimative Mann“ starten die Berliner ins Programm und Stumpen scheint seinen Gehstock und das einhergehende Mitleid des Publikums regelrecht zu genießen. Doch beim nachfolgenden Song „Buchstabe“ gerät der Vater Gottes in den Mittelpunkt des Geschehens und Stumpen kontert zu „Schwanzlich Willkommen“ mit dem Ablegen seines grünen Stramplers. Ganz so einfach gestaltet sich dies nicht und so darf das Publikum bei der Entblößung hilfreich Hand anlegen, wobei ihn dies genauso wenig los lassen will wie das grüne Teilchen.
Endlich frei gestrampelt, entwickelt er aber wieder seinen Tatendrang und bittet Kamerafrau Marie, die den ganzen Abend fleißig mitfilmt, auf die Bühne um die Band am Bühnenrand zu dokumentieren. Das demografische Alter wird per Handzeichen ermittelt und eine „Tragödie des Alters“ darauf hingewiesen, dass er wohl nicht so ganz korrekt seine Hand erhebt.
Nun wird es Zeit für einen Song vom aktuellen Album „Es werde Nicht“. Das heißt, man ist sich erstmal uneins auf der Bühne, denn Stumpen kündigt vollmundig „Refräng“ an und Alf Ator widerspricht. Schließlich behält Stumpen doch Recht und der Vater Gottes wird mit einem gemeinschaftlichen „Buh“ bestraft. Ausschluss aus der Gemeinschaft wird hier eh nicht akzeptiert, was eine Zuschauerin bei dem anschließenden „Du bist Schuld“ erfahren darf. Sie muss als Strafe „Bleib stehen“ von der Bühne aus mitverfolgen und sich vorher als Kaulquappe auf der Bühne wälzen. Wird hier die Peitsche angesetzt, gibt es anschließend das Zuckerbrot und sie darf beim nächsten Spezialeffekt mitwirken. Dieser kommt in drei großen Mülltüten auf die Bühne und rieselt in Form von Herbstlaub auf das Dresdner Publikum herab. Für alle die hier Ekel empfinden, ergänzt Stumpen, dass man froh sein kann, schließlich hat er gestern gesammelt und es heute erst geregnet. Besonders im Winter mischen sich doch immer wieder Steine, Stöcke und Eisklumpen unter das Laub, was aber hier wohl als Dresdner Allerlei bekannt sei. So gesehen hat man also doch noch Glück gehabt.
Dies ändert sich aber für die nächste Zuschauerin recht schnell, als ein leichtes Mädchen gesucht und auch gefunden wird. Sie soll sich steif wie ein Brett machen, um als Wurfgeschoß zu funktionieren. Ausgegebenes Ziel für den „Leichte-Mädchen-Weitwurf“ sind heute 4,5 Meter. Beim ersten Versuch wird dies nicht erreicht, also darf sie noch ein zweites Mal „genießen“ und bei dem dritten Versuch wird auch endlich die gesetzte Marke erreicht. Um den Schwierigkeitsgrad etwas zu heben, wird jetzt ein Mann erwünscht. Zu dessen Freude darf noch ein Mädchen aufsteigen und weil dies so gut funktioniert, darf auch gleich ein zweites das Sandwich perfekt machen. Auf ihm stehend, grüßen sie dann Band und Zuschauer, bevor der „Schwere-Männer-Weitwurf“ einsetzte. Was für manchen Entsetzen auslöst, ist bei Knorkator der ganz normale Wahnsinn.