„Gibt es eigentlich noch Fragen zu stellen?“, will der Tourmanager wissen, als wir ihm verklickern, dass wir nun schon das vierte Interview mit Chris von Grave Digger führen. „Wollen wir doch hoffen“, so unsere Antwort; es wäre doch fatal, denn sonst könnte man die Band ja gleich abschreiben. Auf zur kleinen Zeitreise mit Anekdoten-Zoten, wobei wir zu jeder Platte dem guten Chris auch das entsprechende Coverartwork unter die Nase halten.
The-Pit.de: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum 35-jährigen Jubiläum, was ja nicht so ganz selbstverständlich ist. Viele unken ja auch, dass die Metal-Dinosaurier aussterben, der „Dinosaurier“ Grave Digger ist aber noch immer frech dabei und bringt auch noch neue Platten raus. Passend zur Tour mit dem „Early Days“-Charakter möchte ich ganz früh mit der Zeitreise beginnen. Wie beschreibst du die Aufbruchstimmung von damals aus heutiger Sicht nach den beiden Demos, als die ersten beiden Songs auf der „Rock From Hell“-Vinyl-Compilation erschienen?
Chris: Oh ja, das ist schon lange her. Die war damals auf dem Index, das Cover wurde damals irgendwann mal indiziert, weil es gewaltverherrlichend war. Das war die erste Arbeit von Andreas Marschall, der damals ein sehr guter Freund von Karl-Ulrich Walterbach war. Der Witz zu den Grave Digger-Aufnahmen war eigentlich, dass es die Band in der Formation, wie sie da auf der Platte zu hören ist, überhaupt nicht gab. Ich wurde kurz vorher rausgeworfen, ich war also ein paar Monate vorher raus aus der Band. Das war immer so: Wenn der eine in den Urlaub gefahren ist, dann haben sich die anderen wieder zusammengetan und dann ist der nächste rausgeflogen. Das waren damals eher alkoholgetränkte Intrigengeschichten. Dann kam jedenfalls die Anfrage von Noise Records, die hatten unsere Demo gehört und wollten, dass wir nach Berlin kommen und zwei Stücke aufnehmen. Peter Masson hatte sich damals gerade mit dem Philip Seibel und einem Bassisten, der gleichzeitig sang, zusammengetan und sie wollten gleich als Trio weitermachen. Der Walterbach wollte aber halt Chris Boltendahl am Gesang haben und nicht irgendjemand anderes. Da kam dann Peter mehr oder weniger auf allen Vieren mit einem „kannst du nicht?“ und „sollen wir nicht wieder?“ an. „Na klar, aber nicht mit dem am Bass“, war meine Antwort. Wir haben uns dann damals entschieden, den Willi Lackmann von Challenger, eine relativ erfolgreiche Band aus Gelsenkirchen, zu engagieren, der dann auch mitgespielt hat. Wir sind nach Berlin gefahren, haben die Aufnahmen mit dem Philip Seibel gemacht, der es leider nicht wirklich als Schlagzeuger auf die Reihe gekriegt hat. Er war hochgradig heroinsüchtig. Nach den Aufnahmen ist er dann gegangen worden, weil Karl-Ulrich meinte, dass das schön wäre, um uns einen längerfristigen Plattenvertrag anbieten zu können. Dann haben wir uns auch schon an die Songs von „Heavy Metal Breakdown“ gemacht.
The-Pit.de: Damals war eine Reise nach Berlin ja ein wenig abenteuerlicher. Heute ist das selbstverständlich, früher musste man zu DDR-Zeiten ja die Transitstrecke nehmen oder fliegen...
Chris: ...an Fliegen war damals noch nicht zu denken, das war der absolute Luxus. Das ging ja gar nicht. Wir sind dann immer mit irgendwelchen Transits oder VW-Bussen da rüber gefahren, haben an jeder Raststätte einen Kasten Bier geholt. Radeberger gab es für zehn Ostmark. Wir sind dann schon immer an der Grenze total stramm angekommen, das war halt der Kult. Die Fahrt dahin war ja schon immer Kult. Einer musste fahren, die anderen haben sich einfach total abgeschädelt. Da kann ich nachher noch eine lustige Geschichte erzählen zur „Shoot Her Down“. Na ja, auf jeden Fall sind wir zu „Heavy Metal Breakdown“ da rüber gefahren, für uns mehr oder weniger in ein richtiges Studio, bei Harris Johns in den Music Lab Studios. Das Coverartwork hat damals übrigens 50 DM gekostet. Das kam auch aus dem Dunstkreis vom Willi Lackmann, der wie gesagt mit Challenger in Gelsenkirchen eine relativ erfolgreiche Band hatte, und der kannte eben einen, der auch Zeichner war. Der hat das für 50 DM gezeichnet.